Beteiligung in der KiTa – Was sagen wir da eigentlich?

Was meine ich, wenn ich sage: „Ich kommuniziere mit Kindern auf Augenhöhe“? Knie ich mich hin, wenn ich mit einem Kind spreche? Höre ich ihm genau zu? Was folgt aus dem, was das Kind mir erzählt? In der ersten Folge des Gute-KiTa-Podcasts haben wir bei Katrin Macha vom Institut für den Situationsansatz nachgefragt. Im Interview nimmt sie Phrasen rund um Beteiligung in Kitas und der Kindertagespflege genau in den Blick. Die Expertin klärt nicht nur auf, was hinter den Phrasen jeweils steckt, sondern zeigt auch, wie Sie als pädagogische Fachkräfte sich selbst hinterfragen können. Manchmal verstehen in einem Team alle etwas anderes unter ein und derselben Aussage. Der Austausch darüber, was eigentlich gemeint ist, schafft eine klare Kommunikation, zeigt Grenzen auf und kann neue definieren – für ein verbessertes Qualitätsverständnis.

Sprecher: Der „Gute-KiTa-Podcast“, der Podcast für KiTa-Fachkräfte und die Kindertagespflege.

Tina Küchenmeister: Und damit herzlich willkommen zum Gute-KiTa-Podcast der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Mein Name ist Tina Küchenmeister, und ich spreche hier mit verschiedenen Expertinnen und Experten über gute Beispiele und erprobte Ansätze aus dem KiTa-Alltag. Das Ganze findet im Rahmen des Programms „Impulse für gute KiTa“ statt, und in der heutigen Folge geht es um das Thema Beteiligung in der KiTa. Und dafür schauen wir uns mal häufig gebrauchte Redewendungen genauer an. Denn oft werden Phrasen gar nicht mehr richtig hinterfragt. Manchmal führen sie sogar zu Missverständnissen und können leicht in die Irre führen. Deshalb stellen wir uns heute mal die Frage: Was sagen wir da eigentlich? Und um diese Frage zu beantworten, habe ich mir Hilfe von einer Expertin geholt, und zwar von einer Frau, die beruflich häufig solche Phrasen hört und Vorschläge hat, wie eine Kita-Fachkraft oder Tagespflegeperson sich besser ausdrücken kann. Hallo Frau Macha.

Katrin Macha: Hallo, Guten Tag.

Tina Küchenmeister: Frau Macha, Sie arbeiten für das „Institut für den Situationsansatz“ in der Internationalen Akademie Berlin und sind eine der Expertinnen, die die Finalisten-Kitas für den Deutschen Kita-Preis in den Vor-Ort Besuchen kennenlernen. Und eine Phrase, die im KiTa-Alltag häufig verwendet wird, ist folgende: „Wir sind mit Kindern auf Augenhöhe“. Was bedeutet das denn konkret?

Katrin Macha: In der Regel bedeutet das, dass sich die KiTas darüber Gedanken gemacht haben, dass es ein Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen gibt. Das ist nämlich die Metapher von Augenhöhe, dass man merkt, man möchte gerne gleichberechtigt oder gleichwertig miteinander agieren. In der KiTa heißt es dann ganz konkret, dass man genauso die Meinung der Erwachsenen, wie die Meinung der Kinder gelten lässt und einbezieht in das konkrete pädagogische Handeln. Das ist so eine Phrase, „auf Augenhöhe“. Aber eigentlich steckt da etwas ganz Tolles drin für die KiTas. Wenn sich nämlich die Erwachsenen klarmachen, dass sie so viel Macht haben in diesem Raum und bereit sind, diese Macht abzugeben und Kinder darin einzubeziehen, dann ist ein ganz wichtiger Schritt gemacht, um Kinder zu beteiligen. Das hat viel mit dieser Dimension „Partizipation“ im Deutschen Kita-Preis zu tun, wo es ja genau darum geht, Kinder in der KiTa an allen Alltagssituation und allen Entscheidungen, die im Alltag der KiTa laufen, zu beteiligen und sie gemeinsam mit den Kindern zu treffen. Im Idealfall ist das dann so eine Aushandlungssituationen immer wieder. Also dass da Kinder sagen, was sie wollen, und auch Erwachsene ernst nehmen, was die Kinder sagen, aber unter Umständen ihre Perspektive auch da einbringen.
Tina Küchenmeister: Und was bedeutet das dann für die verschiedenen Altersgruppen?

Katrin Macha: Naja, genau. Das ist eine typische Frage oder eine typische Herausforderung. Bei älteren Kindern, also zum Beispiel Hortkindern, kann man sich das oft gut vorstellen, dass man mit denen überlegt, wie man zum Beispiel so eine Hausaufgaben-Situationen oder eine Essens-Situation gestalten kann. Viele Fachkräfte haben auch die Erfahrung, wie das mit Kindergartenkindern ist, also drei- bis sechsjährigen Kindern, diese ernst zu nehmen und zuzuhören und gemeinsam zu entwickeln. Also zum Beispiel zu überlegen „Was wollen wir machen? Was ist wichtig in der Arbeit an dem Projekt? Wie können wir das machen?“ Und gerade bei den jüngeren Kindern, also Krippenkindern bis drei Jahren, da kommt es sehr darauf an, im ersten Schritt ernst zu nehmen und überhaupt wahrzunehmen, sich darauf einzulassen, was die Kinder äußern.

Tina Küchenmeister: Können Sie da vielleicht mal ein Beispiel nennen?

Katrin Macha: Also zum Beispiel, wenn Kinder, ganz junge Kinder gefüttert werden, dann zu respektieren, wenn sie nicht mehr essen möchten. Damit beginnt das schon, also sie ernst zu nehmen und auf Augenhöhe mit ihnen zu agieren. Typische Beispiele, wo das dann auch oft Knackpunkte sind für Erzieherinnen, sind eben genau diese scheinbar kleinen Momente im Alltag. Zum Beispiel, wer entscheidet eigentlich, ob man bei einer kalten Temperatur eine Mütze anzieht oder nicht? Da ist es oft so, dass Erzieherinnen, die frieren, den Kindern sagen, sie sollen eine Mütze anziehen. Und auf Augenhöhe wäre, dass man anerkennt, dass Kinder vielleicht ein anderes Temperaturempfinden haben und ihnen die Möglichkeit gibt, auch erst mal auszuprobieren, was haben sie eigentlich für ein Temperaturempfinden? Was brauchen sie eigentlich an Kälteschutz? Das kann ein Kind besser herausfinden und selbst dann vertreten, wenn es den Raum von der Fachkraft kriegt, anstatt die Ansage, dass das Kind das oder das zu tun hat.

Tina Küchenmeister: Jetzt haben wir einen ganz guten Einblick bekommen, was das Benutzen von Phrasen im KiTa Alltag eigentlich für Folgen haben kann. Und um das noch ein kleines bisschen besser zu verstehen, habe ich noch eine zweite Phrase herausgesucht. Und die lautet wie folgt: „Wir arbeiten komplett partizipativ.“ Welche Methoden stecken denn dahinter?

Katrin Macha: Da gibt es eine große Bandbreite, glaube ich, von KiTas, wie die das auslegen, wenn die so etwas schreiben. Einmal geht es da sicher um Methoden von basisdemokratischer Einbeziehung, also Wahlen abzuhalten, Kinder-Sprecherinnen und- Sprecher zu wählen, die die Sicht der Kinder vertreten. Dann geht es aber natürlich auch darum, so richtig strukturell zu verankern, wo Kinder mitbestimmen können und sich daran zu halten. Da geht es dann auch ganz viel um eine Auseinandersetzung mit den Kinderrechten. Das entscheiden die Teams, also die Erwachsenen. In der Einrichtung geben die Beteiligungs-Spielräume vor, die die Kinder haben. Und hier kommt wieder das Machtthema dabei. Also, die mächtigere Person in dieser Beziehung, die kann den anderen eine Beteiligung ermöglichen. Das heißt auch wieder hier:  erstmal gibt es diese strukturellen Möglichkeiten der Beteiligung von Wahlen und Abfragen und verschiedenen Gruppierungen, die gemeinsam Entscheidungen treffen. Da gibt es hübsche Beispiele, auch im Deutschen Kita-Preis, wo Kinder gemeinsam auswählen, was sie tun oder Entscheidungen zusammentreffen. Und dann aber auch für alle Altersgruppen ist glaube ich ein ganz wesentlicher Bestandteil, dass die Kinder ständig erleben, dass die Erwachsenen sich um ihre Meinung kümmern und dass sie wissen wollen, was die Kinder denken und dass die Kinder erleben, dass ihre Meinung berücksichtigt wird. Und das ist dann das Knifflige für manche KiTas. Die haben dann vielleicht tolle Beteiligungsinstrumente entwickelt oder schöne Beschwerde-Management-Systeme entwickelt, wie eine Klagemauer oder wie eine Fragerunde, Feedbackrunde nach Veranstaltungen. Aber wenn die Kinder nicht im Alltag in jeder Situation erleben, bei den Fachkräften, dass die hören wollen, was sie denken, dann laufen diese strukturellen Merkmale von Partizipation manchmal ins Leere. Weil die Kinder müssen erst mal erfahren, dass das, was sie sagen und was sie haben wollen, auch akzeptiert wird und sich danach auch gerichtet wird.

Tina Küchenmeister: Jetzt sind Sie schon auf Beteiligungsräume eingegangen. Was wäre denn da noch ein konkretes Beispiel? Und wo liegen dort auch die Grenzen?

Katrin Macha: Es gibt genau diese KiTas, wo Kinder zum Beispiel gemeinsam entscheiden, wie ein Projekt verläuft. Das heißt, immer wieder, im Morgenkreis oder im Besprechungskreis, diskutieren Erzieherinnen und Kinder, was jetzt dran ist, was man noch herausfinden will, was sie noch vielleicht an tollen Ausflügen oder Fragen bearbeiten könnten. Andere Beteiligungsräume sind aber auch, zum Beispiel, dass Erzieherinnen oder Erzieher ein Beispiel einbringen und die Kinder dann zum Beispiel einen besseren Vorschlag machen, der genauso respektiert und als Möglichkeit in Betracht gezogen wird. Insofern ist die Frage nach Grenzen etwas, was Teams total gut miteinander diskutieren können. Wo sehen Sie eigentlich Grenzen? Ich glaube mittlerweile, dass das wirklich eine Glaubensfrage ist, die sich in den Köpfen der Erwachsenen abspielt. Ich habe noch keine Grenze gesehen, die nicht irgendwie auch wieder hinterfragt worden ist.

Tina Küchenmeister: Die dritte Phrase, die schließt im Prinzip auch genau dort an. Die lautet: „Wir fragen unsere Kinder regelmäßig nach ihrer Meinung“. Wie sollte bezüglich dieser Phrase am besten mit Kritik und Wünschen umgegangen werden? Sie sind da eben schon ganz kurz darauf eingegangen. Vielleicht können Sie es noch einmal kurz sagen.

Frau Macha: Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Also spätestens, seitdem ein Beschwerdemanagement für Kinder und Erwachsene in KiTas Pflicht ist, müssen sich die Pädagoginnen und Pädagogen darüber Gedanken machen, wie sie die Kinder um ihre Meinung fragen. Und da gibt es auch wieder total unterschiedliche Umgangsweisen. Wichtig ist jetzt, gerade auch im Sinne der Qualitätsdimensionen im Deutschen Kita-Preis, dass wir wirklich ernst nehmen, was die Kinder da äußern. Also wenn ich Kinder frage, wie sie das Essen finden, und sie sagen, dass ihnen das oft nicht schmeckt, dann muss ich was damit machen. Dann müssen wir überlegen, was wir daran ändern können. Und dadurch wird es zu einer demokratischen Grunderfahrung für die Kinder. Das ist natürlich in der Auseinandersetzung mit Beteiligung total wichtig, dass wir immer wieder für die Kinder erfahrbar machen, dass sie Einfluss nehmen können und dass sich etwas verändert aufgrund ihrer Aussage. Dann stärken wir eben dieses aktive Bürgerinnen- oder Bürgersein bei den Kindern.

Tina Küchenmeister: Um diese Ansätze nun ein bisschen aus der Theorie in die Praxis zu holen. Was würden Sie da nun konkret empfehlen?

Katrin Macha: Wir würden da jetzt im Sinne vom Deutschen Kita-Preis ein „erzähl-generierendes“ Vorgehen empfehlen. Also wirklich in einen Dialog mit den Kindern gehen und versuchen, herauszufinden, wie sehen die eigentlich die Situation. Also ein bisschen früher anzusetzen und breiter zu erkunden, als bloß zu fragen „Fandest du das jetzt gut, dass wir das so gemacht haben oder fandest du das jetzt blöd?“ Sondern darüber nachdenken, wie war das eigentlich? Was ist da passiert? Was hast du in der Situation erlebt, als wir das gemacht haben?

Tina Küchenmeister: Oft passiert es nun im Alltag, dass die Kinder zwar nach ihren Wünschen gefragt werden, dann aber doch nicht so richtig darauf eingegangen wird. Wie können Fachkräfte das dann nun ändern?

Katrin Macha: Bevor ich das so konkret beantworten kann, glaube ich, ist es für Teams oder Erzieherinnen und Erzieher total wertvoll, sich diese Phrasen, die sie zum Beispiel in einer Konzeption benutzen, noch einmal vorzunehmen und wirklich darüber zu reflektieren: Was heißt denn das für uns? Weil dann wird da ein pädagogischer Prozess draus. Wenn ein ganzes Team überlegt, was heißt eigentlich Augenhöhe für mich? Bedeutet das, dass ich nur mich runter knie, wenn ich mit einem Kind rede, was eben eine  kleinere Statur hat als ich? Oder heißt es wirklich, ich möchte mich darauf einlassen, anzuerkennen, was dieses Kind will, und versuchen, das zu verwirklichen? Ich glaube, das hilft, wenn wir überlegen: Wie würden wir das denn den Kindern erklären?

Tina Küchenmeister: Und wie würden Sie das dann am besten machen?

Katrin Macha: Ich würde vielleicht sagen: Ich möchte wissen, was du denkst. Ich möchte mit dir gemeinsam überlegen, wie wir hier in der KiTa arbeiten. Meine Sicht ist nicht wichtiger als deine, sondern wir entscheiden die Dinge hier gemeinsam.

Tina Küchenmeister: Vielen Dank, Frau Macha, für das Gespräch und Ihre Anregungen. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass je mehr das Verwenden von Phrasen hinterfragt wird, umso klarer wird die Kommunikation innerhalb einer Einrichtung. Und es ist außerdem wichtig, Grenzen zu diskutieren und auch immer wieder neu zu definieren. Und das ist natürlich auch eine sehr wichtige Voraussetzung im Hinblick auf die Qualitätsentwicklung. Im Rahmen von unserem „Impulse für gute KiTa“-Programm finden Sie übrigens noch mehr Tipps und Anregungen zum Thema Beteiligung und Partizipation. Schauen Sie doch zum Beispiel mal bei unserem „Gute-KiTa-TV“ vorbei, oder lesen Sie unser „Gute-KiTa-Know-how“. „Impulse für gute KiTa“ ist ein Programm der DKJS und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Mein Name ist Tina Küchenmeister, und ich freue mich, wenn sie bei der nächsten Folge wieder dabei sind.

Sprecher: Der Gute-KiTa-Podcast. Der Podcast für Kita-Fachkräfte und die Kindertagespflege.