Interview zur Integration von Kindern mit Fluchthintergrund

Die Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten gGmbH betreuen in 184 Kitas täglich rund 32.000 Kinder – darunter auch zahlreiche Kinder, die in ihrem Leben bereits Fluchterfahrungen gemacht haben. Im Juni 2022 wurden bereits 125 Kinder, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, in den Kitas und der Nachmittagsbetreuung an den Standorten der Elbkinder aufgenommen.

Die Elbkinder entwickeln kontinuierlich und bedarfsgerecht unterschiedliche Angebote, um Hürden auf dem Weg in die Kita abzubauen, die Eingewöhnung von Kindern mit Fluchterfahrung sensibel und flexibel zu gestalten und damit die Inklusion zu erleichtern. Von diesen Angeboten und Erfahrungen berichten Susanna Jeschonek-Seidel, James Desai und Stefanie Ehlers.

Wie kommen Kinder mit Fluchthintergrund mit den Elbkinder-Kitas in Kontakt?

Je nach Bundesland kann es unterschiedliche Voraussetzungen für den Weg in die Kita geben. In Hamburg müssen Familien zunächst einen Kita-Gutschein beantragen. Da das eine Hürde sein kann, stellen die Elbkinder-Kitas bereits auf ihrer Internetseite und vor Ort in den Einrichtungen Materialen zur Verfügung, die das notwendige Vorgehen in verschiedenen Sprachen erklären. Oft unterstützen die Kitas auch bei den Behördengängen und Anträgen.

Als zusätzliche Unterstützung suchen die Kita-Kulturlotsinnen und Kulturlotsen des Bundesprogramms „Kita-Einstieg“ Kontakt zu Familien und informieren über das Kita-System in Hamburg. Dies soll Familien helfen, kultursensibel und schneller einen Kita-Platz zu finden. Auf der Homepage der Elbkinder finden sich unter der Rubrik „Willkommen in Hamburg“ Erklärungen in ukrainischer, russischer und englischer Sprache. Das Projekt Kita-Einstieg hat für Hamburg ebenfalls Elterninformationen entwickelt, die in mehreren Sprachen online verfügbar sind.

Wie können Kitas und Träger den Zugang für Familien mit Fluchthintergrund erleichtern?

Die speziell eingerichteten Eltern-Kind-Zentren der Elbkinder liegen oft in der Nähe von städtischen Unterkünften für Geflüchtete. Zudem werden die Eltern mit kleineren Kindern von den Zentren direkt eingeladen. Bei den Angeboten können Familien Fragen stellen, sich austauschen und vernetzen. Das Personal im Eltern-Kind-Zentrum vor Ort stellt häufig den ersten Kontakt zur Kita her.

Doch auch Kitas ohne spezielle Zentren können Kontakte ermöglichen: Beispielsweise in dem sie ihre Räumlichkeiten zu bestimmten Zeiten für Kinder und Familien aus den Unterkünften zur Verfügung stellen oder Begegnungen zwischen diesen und den Kita-Kindern organisieren und beispielsweise gemeinsame Feste planen.

Darüber hinaus brauchen die Kitas für die Beratung von Eltern passendes Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen. Auch in Zusammenarbeit mit der Leitung von Unterkünften für Schutzsuchende oder der Sozialraumberatung kann auf Kita-Angebote aufmerksam gemacht werden. Die Kitas und Eltern-Kind-Zentren der Elbkinder sind gut im Sozialraum vernetzt und übernehmen eine Lotsenfunktion zu passenden Beratungsstellen, ärztlicher Versorgung und weiteren Bildungsangeboten.

Die in den Familien gesprochenen Sprachen spielen im Leben eines Kindes eine entscheidende Rolle. In den Elbkinder-Kitas werden daher grundsätzlich alle Sprachen als wertvolle Ressourcen und Chancen für die Kinder wertgeschätzt und in den pädagogischen Alltag einbezogen. Um Missverständnissen vorzubeugen, beispielsweise, wenn Prozesse wie die Eingewöhnung erklärt werden, können Sprach- und Kulturvermittelnde gezielt unterstützen oder technische Hilfsmittel eingesetzt werden.

Kitas sollten vor allem beim Abschluss des Betreuungsvertrags darauf achten, dass die Eltern gut informiert sind. Das Bundesprogramm „Kita Einstieg: Brücken bauen in der frühen Bildung“ beispielsweise vermittelt Sprachmittelnde, die kostenfrei Gespräche übersetzen und helfen, Sprachbarrieren zu überwinden. Oft können auch pädagogische Fachkräfte selbst ihre persönlichen Sprachkenntnisse im Alltag und Gesprächen mit den Eltern gewinnbringend einsetzen.

Was müssen Fachkräfte beachten?

Im Sinne vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung sollten Fachkräfte in den Kitas immer wieder eigene Vorannahmen reflektieren und unterschiedlichen Familienkulturen wertschätzend und interessiert begegnen. In einer gelungenen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft bleiben die pädagogischen Fachkräfte mit den Familien im Gespräch und tauschen sich über relevante Themen zum Wohle des Kindes aus. Dabei können auch Methoden unterstützender Kommunikation hilfreich sein, beispielsweise einfache Gebärden, Bildwörterbücher, oder digitale Übersetzungstools. Eltern werden stets darin bestärkt, ihre jeweiligen Familiensprachen zu leben und diese auch im Kita-Alltag einzubringen.

Fachkräfte sind oft unsicher, wenn sie wissen, dass Kinder vor Krieg und Gewalt geflohen sind. Die Angst, womöglich etwas „falsch zu machen“, ist weit verbreitet. Hier gilt es, die Fachkräfte in ihrer Professionalität zu stärken und sie im Alltag handlungssicher zu machen. Zum Beispiel durch Fortbildungen und Fachberatung.

Alle Kinder mit Fluchterfahrungen sind enorm belastet. Traumasensibilität bedeutet vor allem, dass Fachkräfte um die besondere Situation der Familien wissen und die ihnen anvertrauten Kinder aufmerksam beobachten. Wichtig ist, dass sie im Team zurückmelden, wenn sie eine Situation selbst nicht mehr bewältigen können oder sie mögliche Traumafolgen vermuten. Kitas als professionelle pädagogische Organisationen können den Kindern und Familien dann entsprechende Hilfen zur weiteren Unterstützung vermitteln.

Was können Kitas noch tun, um Menschen mit Fluchthintergrund am Kita-Alltag zu beteiligen?

Die Elbkinder stellen qualifizierte pädagogische, therapeutische und hauswirtschaftliche Mitarbeitende mit und ohne Fluchterfahrung ein und bieten Praktikumsplätze an. Auf diese Weise können Menschen mit Fluchterfahrung die eigene Zukunft aktiv und selbstbestimmt gestalten. Das ist wegen der erforderlichen Unterlagen jedoch nicht immer einfach. Der Träger Elbkinder - Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten gGmbH hat speziell dafür eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Kitas die nötigen Informationen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stellt und sie bei der Einstellung von Menschen mit Fluchterfahrungen unterstützt.