Studien zur Gewinnung und Bindung von pädagogischen Fachkräften

Berechnungen einer Prognos-Studie zufolge fehlen in Deutschland bis zum Jahr 2025 bis zu 191.000 Erzieherinnen und Erzieher in der frühen Bildung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen deshalb in unterschiedlichen Studien, mit welchen Maßnahmen es gelingen kann, pädagogische Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Die Ergebnisse der Studien stellen unter anderem heraus, dass sich mit einer guten Kommunikation und verbesserten Karriere- sowie Aufstiegschancen deutlich mehr Fachkräfte gewinnen und binden ließen. Außerdem fehle es in der Gesellschaft an Wissen über Aufstiegs-, Weiterbildungs- sowie Verdienstmöglichkeiten im Berufsfeld Kindertagesbetreuung. Die aktuelle SINUS-Jugendbefragung „Kindertagesbetreuung & Pflege – attraktive Berufe?“  kommt zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Jugendliche ihr Wissen über Berufe in der Kindertagesbetreuung vor allem aus dem persönlichen Umfeld beziehen. Sie wünschen sich von der Politik mehr Aufklärungsarbeit über das Berufsfeld.

Der Ausbau der Kindertagesbetreuung und die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab August 2026 erhöhen den Bedarf an pädagogischen Fachkräften. Dieser zusätzliche Bedarf lässt sich allein mit den zukünftig erwartbaren Berufseinsteigerinnen und -einsteigern nicht decken. Zur Schließung dieser Fachkräftelücke können verschiedene Maßnahmen beitragen. Eine wichtige Rolle könnten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger aus anderen Branchen und Berufsgruppen spielen, die sich aufgrund von Strukturwandel oder Digitalisierung neu orientieren müssen. Zu diesem zukünftigen Strukturwandel am Arbeitsmarkt hinsichtlich gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen zählen zum Beispiel die Folgen aus dem anstehenden Kohleausstieg oder dem Ende der Steinkohleförderung. Ein weiterer Faktor sind Berufe mit einem hohen Anteil an Routinetätigkeiten, die von Computern oder computergesteuerten Maschinen erledigt werden können. Dieser Trend führt zu einer strukturellen Verschiebung der Beschäftigung hin zu Berufen etwa im Bildungs- oder Gesundheitsbereich.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit Fachkräfte aus anderen Branchen und Berufsgruppen ein Puzzleteil zur Schließung der Fachkräftelücke im Bereich der frühkindlichen Bildung sein können. Die vom BMFSFJ herausgegebene Kurzexpertise gibt einen Überblick darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann und welche Erfahrungen mit dieser Thematik bereits vorliegen. 

Kurzexpertise: Studie des BMFSFJ zur Gewinnung von Fachkräften in der frühkindlichen Bildung (PDF zum Download, 724,2 kB)

Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) befragte das SINUS-Institut von März bis April 2020 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 20 Jahren zur Attraktivität von Berufen in der Kindertagesbetreuung und Pflege. Sinnstiftung und Verantwortung spielen bei der Berufswahl junger Menschen eine wichtige Rolle. 24 Prozent der Befragten können sich eine Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung vorstellen, darunter viele Jugendliche, die das Abitur anstreben und viele junge Männer. Die befragten Jugendlichen würden die Berufe in der Kindertagesbetreuung und Pflege als interessanter bewerten, wenn beispielsweise die Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Verdienst besser wären. Informationen zu den Berufen erhalten Jugendliche vor allem durch das persönliche Umfeld und wünschen sich deshalb mehr Aufklärungsarbeit.

Forschungsbericht: SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH (2020): Kindertagesbetreuung & Pflege – attraktive Berufe?

Kurzfassung: Jugendbefragung: Kindertagesbetreuung & Pflege – attraktive Berufe?Qualitative und quantitative
Forschung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 20 Jahren. Sinus-Institut.

Die Studie untersucht, welche Themenfelder für die frühe Bildung wichtiger werden und sich für Aufstiegs- und Karrierewege der frühkindlichen Bildung eignen. Sie betrachtet exemplarisch drei Zukunftsfelder für den Erzieherberuf, in denen sich durch eine Spezialisierung Fachkarrieren eröffnen könnten: „Praxisanleitung“, „digitale Medienbildung“ und „Grundschulkinderpädagogik“. Die Studie macht dabei deutlich, wie sich Fachkarrieren in der frühen Bildung für die Erzieherinnen und Erzieher selbst, die gute frühe Bildung der Kinder und die Sicherung der Fachkräfte lohnen. Die Studie wurde von der Prognos AG und der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erstellt.

Kurzstudie: Prognos AG/ Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (2020): Zukunftsfelder für Erzieherberufe – Fachkarrieren in der frühen Bildung

Der zweite Berichtsband der OECD-Fachkräftebefragung „Building a High Quality Early Childhood Education and Care Workforce“ fragt insbesondere nach der Gewinnung und Bindung von qualifizierten Fachkräften in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung. Wie stellen sich die Arbeitsbedingungen im internationalen Vergleich dar? Wie unterscheiden sich Aus-, Fort- und Weiterbildung in den untersuchten Ländern? Welche Dimensionen und Modelle von Leitung lassen sich in den untersuchten Ländern finden? Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrzahl der Fachkräfte sehr zufrieden mit der eigenen Tätigkeit, weniger aber mit den beruflichen Rahmenbedingungen ist. In Deutschland klagen viele Befragte über begrenzte Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie Personal- und Ressourcenmangel. Positiv sticht Deutschland im Ländervergleich bei der beruflichen Ausbildung hervor: 97 Prozent der Fachkräfte im Ü3-Bereich und 96 Prozent im U3-Bereich sind speziell für die Arbeit mit Kindern ausgebildet.

StudieOECD (2019): Providing Quality Early Childhood Education and Care: Results from the Starting Strong Survey 2018, TALIS.

Weitere InformationenOECD-Fachkräftebefragung und erster Berichtsband

Die Studie wurde von der Projektgruppe „Aufwertung sozialer Berufe“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegeben und untersucht die Wahrnehmung zum Berufsfeld Erzieherin und Erzieher in der Bevölkerung. In der Studie wurden über 1.300 Personen ab 16 Jahren befragt. Die Ergebnisse schaffen eine Grundlage für notwendige Aktivitäten zur Aufwertung des Berufsfelds. Ein Großteil der Befragten schätzt an dem Beruf der Erzieherin und des Erziehers die Freude an der Arbeit, die gesellschaftliche Relevanz sowie den sicheren Arbeitsplatz. Demgegenüber stehen die negativ behafteten Vorstellungen, dass es im Beruf wenig Aufstiegsmöglichkeiten und ein geringes Einkommen gibt. Erzieherinnen und Erzieher schätzen die Fort- und Weiterbildungs- sowie ihre Karrieremöglichkeiten besser ein als der Rest der Befragten.

Studie: Institut für Demoskopie Allensbach (2018), Erziehen als Beruf – Wahrnehmung der Bevölkerung zum Berufsfeld Erzieherin/Erzieher. Befragung für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Worauf kommt es im Berufsfeld Erzieherinnen und Erzieher in Zukunft an? Wie werden soziale Berufe aufgewertet? Was können Akteurinnen und Akteure, die die beruflichen Rahmenbedingungen gestalten, beitragen? Im Projekt „MEHR-WERT!“ diskutierten Beschäftigte und Stakeholder aus der Pflege und Frühpädagogik diese Fragen und entwickelten gemeinsam Strategien und Visionen. Der Abschlussbericht stellte für den Beruf Erzieherin und Erzieher heraus, dass mehr Weiterbildungsmaßnahmen und damit Karrierewege geschaffen werden müssen. Dafür seien neben der Unterstützung durch den Träger auch entsprechende Anpassungen in den politisch gesetzten Rahmenbedingungen notwendig. Konkret geht es unter anderem um einheitliche Aus- und Weiterbildungsstandards, Tarifvereinbarungen, die zusätzlich erworbene Kompetenzen berücksichtigen, und eine entsprechende Organisation im Betreuungsalltag. Die praktischen Anpassungen müssen außerdem mit einer veränderten Wahrnehmung des Berufs der Erzieherin und des Erziehers einhergehen.

Abschlussbericht: Fraunhofer IAO (2019): Forschungsprojekt „MEHR-WERT! Konzeption zur innovativen Gestaltung eines Imagewandels sozialer Berufe über neue Wertebilder“.

Der OECD-Bericht nennt unter anderem niedrige Gehälter, geringes Ansehen, fehlende öffentliche Anerkennung, schlechte Arbeitsbedingungen sowie begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten als Gründe dafür, weshalb sich die Gewinnung und Bindung von pädagogischen Fachkräften häufig schwierig gestaltet. Was können die einzelnen Länder tun, um einen Bestand an hochqualifizierten und gut ausgebildeten Fachkräften in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) aufzubauen? Der OECD-Bericht nennt Maßnahmen und Strategien, um den Beruf der Erzieherin und des Erziehers aufzuwerten. Eine Möglichkeit sehen die Autorinnen und Autoren beispielsweise darin, Personal mit besonderen Qualifikationen durch Gehaltszulagen zu binden. Eine weitere Möglichkeit sei der Einsatz von Medienkampagnen, um die öffentliche Anerkennung der Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern zu erhöhen.

Studie: OECD (2019): Gute Strategien für gute Berufe in der frühen Bildung.