Apps und Co: Welche digitalen Medien eignen sich für Kinder?

Interview mit dem Medienexperten Thomas Feibel zur Mediennutzung von und mit Kindern

„Digitale Medien können die Nähe und Vertrautheit menschlicher Beziehungen nicht ersetzen“

Thomas Feibel ist freier Journalist und Buchautor zum Themengebiet Kinder und digitale Medien. Er leitet das Büro für Kindermedien in Berlin und hat den Kindersoftwarepreis TOMMI initiiert. Im Interview erläutert Thomas Feibel, was Eltern und pädagogische Fachkräfte bei digitalen Medien für Kindern beachten sollten.

Welche digitalen Medien sind für Kinder im Kita-Alter geeignet und welche Chancen bietet die Nutzung von digitalen Medien?

Kinder lernen im Kita-Alltag viel Neues. Es geht um Bewegung, sozialen Austausch und auch um Medien. Dabei sollten digitale Medien klassische Medien wie Bücher oder Brettspiele keinesfalls aus dem Kita-Alltag verdrängen. Es gibt tolle und spannende Vorlese-Apps, Abenteuerspiele oder Lernspiele für Computer und Smartphones. Allerdings sind Apps beispielsweise kein Ersatz für das Vorleseritual, weil es auch um Nähe und Vertrautheit geht. Apps und Spiele für Smartphones und Computer können in vielen Dingen unterstützen, doch am Ende ist die Mischung entscheidend! Wichtig ist außerdem, dass die Kinder die Geräte nicht nur zum Konsumieren kennenlernen, sondern sich selbst als Gestalterinnen und Gestalter wahrnehmen. So können digitale Medien zu einem Werkzeug für Kinder werden. Immer mehr Kitas haben digitale Medien in ihre Arbeit behutsam und klug integriert.

Wie können Eltern prüfen, ob bestimmte Apps für Kinder geeignet sind?

Bislang gibt es keine zentrale Stelle, sondern viele Informationsangebote für Eltern im Netz. Auf seitenstark.de finden Kinder und Eltern ein breites Angebot an Websites und Apps, die Kindern einen altersgerechten Zugang zu Medien ermöglichen. Eltern und Fachkräfte finden aber auch Informationen zu digitalen Spielen und Bildungsangeboten beim Kindersoftwarepreis TOMMI. Der TOMMI- Sonderpreis „Kindergarten und Vorschule“ richtet sich genau an die Altersgruppe. Nach der Nominierung durch eine pädagogische Fachjury prämieren Kinder die Spiele. Sie lernen so früh den Umgang mit Medienkritik und erwerben unter medienpädagogischer Begleitung erste Schritte in Sachen Medienkompetenz. Eltern und Fachkräfte erhalten einen Überblick über den unübersichtlichen Markt und können die Kinder vor nicht kindgerechten Spielinhalten schützen. Schwierig dagegen sind Blogs als Ratgeber für Kindermedien. Auch wenn es sicher auch gute Blogs gibt, ist es zum Beispiel häufig der Fall, dass App-Hersteller die Platzierung als „App des Monats“ kaufen.  

Wie sollten Eltern ihre Kinder im Vorschulalter bei der Nutzung von digitalen Medien begleiten?

Je früher Eltern mit der Medienerziehung anfangen, desto mehr kann später im Schulalter auf die Medienkompetenz der Kinder zurückgegriffen werden. Kinder im Vorschulalter sollten noch kein eigenes Gerät haben, sondern Schritt für Schritt an digitale Medien herangeführt werden. Altersgerechte Angebote gibt es mittlerweile für alle Altersklassen. Doch vor allem Bildschirmmedien wie Fernsehen, Smartphones und Tablets üben eine starke Sogwirkung auf Kinder aus, derer sie sich nur schwer entziehen können. Kindern fällt es deshalb schwer, sich selbst zu regulieren – das ist völlig normal. Hier sind Eltern und Fachkräfte gefragt. Wichtig ist außerdem, dass Kinder nicht das Gefühl bekommen, dass sie Medien nur nutzen dürfen, damit sie nicht stören.

Welchen Einfluss hat die Mediennutzung im Kindergartenalter auf die weitere Entwicklung?

Hier sind zwei wichtige Dinge zu nennen. Zum einen ist der Umgang mit Medien spätestens mit Schuleintritt eine Grundfertigkeit, die vorausgesetzt wird. Zusätzlich zu Lesen, Schreiben und Rechnen müssen Kindern nun auch wissen, wie das Leben im Internet funktioniert. Deshalb ist es sinnvoll, früh mit Kindern über die Nutzung von Medien zu sprechen. Zum anderen ist die Vorbildfunktion der Eltern gefragt. Kinder ahmen das nach, was ihre Eltern ihnen vormachen. Wir haben in der heutigen Zeit kein Bewusstsein mehr dafür, wie oft wir das Handy in der Hand halten. Deshalb müssen Kinder sehr früh lernen, die Aufmerksamkeit der Eltern mit dem Smartphone zu teilen. Wenn Eltern beispielsweise beim Abholen ihrer Kinder telefonieren, könnten Fachkräfte den Austausch mit den Eltern suchen und über die Nutzung von Smartphones vor den Kindern sprechen. Eltern und Fachkräfte können Kindern vermitteln, die Geräte als Werkzeug kennenzulernen und sie nicht nur zum Konsumieren wahrzunehmen.

Was für Tipps können Sie Fachkräften und Eltern im Hinblick auf die Medienerziehung mitgeben?

Einer der besten Partner für die Medienbildung sind Öffentliche Bibliotheken. Denn Bibliotheken haben den Ort, sie sind mit der Technik ausgestattet und es arbeiten dort motivierte und aufgeschlossene Menschen, die sich mit Mediennutzung auskennen. Viele Bibliotheken bieten 3D-Drucker, VR-Brillen, Roboter und vieles mehr. Um Fachkräfte und Eltern zu entlasten, ist es sinnvoll, diese als Lernorte viel stärker in der Medienerziehung mitzudenken. So müssen Eltern und Fachkräfte nicht selbst alles anschaffen und können auf die Ausrüstung und das Wissen der Bibliotheken zurückgreifen. Bibliotheken sind heute die am meisten unterschätzten, aber auch die am weitesten vorangeschrittenen Vermittler von Medienbildung und Medienkompetenz.