„Vielfältige Angebote für alle Kinder“

Interview mit Katrin Molkentin (BEVKi)

Als Bundessprecherin der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege (BEVKi) setzt sich Katrin Molkentin für mehr Qualität in der Kindertagesbetreuung ein und engagiert sich für eine gelebte Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Im Interview erläutert sie ihre Vorschläge, wie die Chancengleichheit in der frühen Bildung weiter vorangebracht werden kann. 

Welche Vorteile bietet Kindertagesbetreuung für Familien?

Molkentin: Kita macht den Unterschied. Kinder, die Einrichtungen besuchen, erhalten eine Vielzahl von Anregungen, die den Horizont erweitern im Vergleich zu dem, was sie in den eigenen vier Wänden erleben. Kitas und Kindertagespflege fördern Kinder vor allem hinsichtlich ihrer Selbstständigkeit und ihren Fertigkeiten. Kinder sind sprachlich versierter, bewegter und motorisch vielfältiger. Und je länger Kinder in der Einrichtung sind, desto gesünder sind sie. Im besten Fall erhalten Familien Anregungen für das kindliche Aufwachsen, die sich in ihren Familienalltag einbauen lassen. Kitas und Kindertagespflege bieten natürlich auch für Eltern den Vorteil, einem Beruf nachgehen zu können. Außerdem sind Familien über die Einrichtungen schnell in den Sozialraum eingebunden und im Kontakt mit anderen Familien. Für Eltern sind pädagogische Fachkräfte wichtige Ratgeber, aber auch andere Eltern. Kitas sind ein guter Ort für ein Miteinander und wichtig für die Quartiere.

Die Betreuungslandschaft ist sehr vielfältig. Wie müssen Betreuungsangebote gestaltet sein, damit sie allen Kindern und Familien gleiche Chancen eröffnen?

Molkentin: Es kann unterschiedliche Konzepte, Schwerpunkte und Angebote geben. Das verstehen Eltern als Angebot und Grundvoraussetzung, um ihr Wunsch- und Wahlrecht in Anspruch nehmen zu können. Es kann Kitas geben, die das Experimentieren und die Entdeckung der Natur in den Vordergrund stellt, eine andere versteht sich in der musikalischen Früherziehung besonders gut. Dann kann es eine besonders intensive Arbeit für die Nestgruppen bzw. Krippen geben. Und es gibt Kitas, die im Umfeld von Betrieben mit Schichtarbeit oder besonderen Früh- oder Spätanforderungen ihre Öffnungszeiten auf ihren Sozialraum abgestimmt haben. Nur wenn ich zwischen verschiedenen Einrichtungen wählen kann, kann ich das am besten passende Angebot für die eigene Familiensituation finden.

Allerdings hat die Unterscheidbarkeit Grenzen. Wenn die eine Kita gut verdienende Familien in sich versammelt, dann hat sie andere Möglichkeiten Zusatzangebote anzubieten. Einrichtungen, deren Eltern auf finanzielle Hilfen angewiesen sind, können sich finanziell nicht in das Umfeld der Einrichtung einbringen. Die einen Eltern treffen sich zum Frühjahrsputz, pflanzen neue Blumen oder Bäume und kaufen zusätzliche Klettergeräte. Die anderen Eltern benötigen Dolmetscherdienste zur Unterstützung beim Elternabend, um überhaupt die Kommunikation möglich zu machen. Vielleicht sind Eltern finanziell so unter Druck, dass sie sogar bei Theaterausflügen, an denen sich Familien mit drei Euro beteiligen sollen, absichtlich fehlen müssen.

Das sind Unterschiede, die auch unterschiedliche Chancen bedeuten. Egal wie gut oder eingeschränkt Familien finanziell ausgestattet sind – das darf keinen Unterschied machen im Kitaerleben für die Kinder. Deshalb fordern wir als BEVKi von den Ländern und dem Bund eine finanzielle Anstrengung zur Abschaffung der Elternzusatzgebühren. Für die BEVKi muss Bildung kostenfrei von der Kita bis zu Uni sein. Angebote müssen für alle Kinder angeboten werden, teure Zusatzangebote, die einige zahlen können und andere nicht, darf es nicht geben. Die finanzielle Ausstattung für Kitas muss auskömmlich sein und alles bezahlen, was Kinder brauchen. Bildungspläne müssen umsetzbar und nicht nur geschrieben sein. Und hier wünschen sich Eltern, dass sich Kitas etwas vornehmen: Das freie Spiel darf nicht jeden Tag das Konzept der Kita sein. Angebote wie Sport und Bewegung, Musik und Kunst, Technik und Naturwissenschaften wünschen sich viele Eltern deutlich zu verstärken. Aber für alle Kitas. Die sprachliche Bildung, die heute viel Aufmerksamkeit erhält, kann auch in diesen Bereichen gefördert werden. Dazu müssen die Gruppen aber kleiner sein und die Fachkräfte mehr Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit und Raum für Entwicklungsgespräche haben.

Welche Unterstützung benötigen Eltern, um ihren Kindern den Zugang zu frühkindlicher Bildung zu ermöglichen?

Es gibt einige Erkenntnisse darüber, was Eltern davon abhält ihre Kinder in eine Kita zu bringen. Sogenannte Hinderungsgründe sind die Kitagebühren, die Familien zu hoch sind. Außerdem werden die vollen Gruppen von Familien als Grund angegeben, Kitas nicht nutzen zu wollen. Insbesondere Eltern mit familiären Wurzeln in anderen Ländern geben an, dass Fachkräfte oft kultursensibler sein müssten. Es muss außerdem mehr Kitaplätze geben, um mehr Kinder zu erreichen. Eltern passen ihre Arbeitszeiten den angebotenen Kitaplätzen an. Eltern klagen ihr Recht auf einen Betreuungsplatz selten ein. Die fehlenden Kitaplätze halten Kinder trotz Ausbau noch immer von der Kita fern. Eltern empfinden aber auch die Zusammenarbeit mit den Familien als zu gering. Sie verzichten daher lieber ganz auf die Betreuung in der Kita, da sie befürchten, die Erziehung aus den Händen zu geben. Eine lebendige Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist also auch wichtig für die Entscheidung für und den Zugang zu frühkindlicher Bildung. Außerdem müssen die Antrags- und Auswahlwege deutlich vereinfacht werden. Freie Kitaplätze sollten zentral einsichtig und auch online anwählbar sein. Die Bewerbungstour durch -zig Einrichtungen empfinden nicht wenige Eltern als erniedrigend und anstrengend.