Förderung der Resilienz in der KiTa durch Bewegung, Spiel und Sport

Ein viel gehörtes und besprochenes Wort: Resilienz. Eines, das vor Corona kaum jemand in den Mund nahm. Nun ist es in aller Munde. Doch was bedeutet es genau? Wieso ist es so wichtig? Und wie erlernt ein Mensch sie? Die Antwort: Wie so vieles, im frühkindlichen Lebensabschnitt. Im Gespräch mit dem Lehrer und Coach Mike Faulhaber erläutert dieser Gute-KiTa-Podcast Begriffe in Bezug auf Resilienz und wieso sie für unser soziales, emotionales und berufliches Leben so wichtig sind. Anhand verschiedenster Phrasen schlägt Mike Faulhaber ganz praktische Bewegungs- und Sportspiele vor, die auf einfachste Weise Kinder im frühkindlichen Bereich mit Resilienz ausstatten.

Sprecher: Der Gute-KiTa-Podcast – der Podcast für KiTa-Fachkräfte und die Kindertagespflege!

Aileen Wrozyna: Herzlich willkommen zum Gute-KiTa-Podcast der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung im Rahmen des Programms Impulse für gute KiTa. Mein Name ist Aileen Wrozyna und ich spreche hier im Podcast mit Expert:innen über gute Beispiele, erprobte Ansätze und Konzepte im KiTa Alltag und für eine gute Kindertagespflege.
Vor allem durch die Corona-Pandemie wird das Wort Resilienz überall benutzt. Auch in der Entwicklung von Kindern spielt Resilienz eine große Rolle. Deshalb reden wir in der heutigen Folge des Gute-KiTa- Podcasts darüber, was Resilienz überhaupt ist und wie man diese bei Kindern stärken kann. Dafür habe ich mir den Lehrer und Coach für Brain Fitness, Mike Faulhaber, eingeladen. Herzlich willkommen, Herr Faulhaber!

Mike Faulhaber: Hallo!

Aileen Wrozyna: Herr Faulhaber, ich habe das Wort jetzt sehr häufig in der Anmoderation ausgesprochen. Es klingt ein bisschen wichtig, ein bisschen hochtrabend. Was versteckt sich denn eigentlich hinter dem Begriff Resilienz?

Mike Faulhaber: Ja, die Resilienz ist die Fähigkeit eines Kleinkindes, sich gedeihlich zu entwickeln. Obwohl das Kind erkennbar vielen Belastungen ausgesetzt ist, die sonst zu Entwicklungsstörungen oder sogar zu Krankheiten führen könnten. Die Resilienz allerdings ist nicht angeboren, sondern sie ist erlernbar. Und das spielt im Bildungskontext oder im Erziehungskontext eine große Rolle. Sprich also auch in Kindertagesstätten, worum es ja heute auch geht.

Aileen Wrozyna: Also kurz zusammengefasst bedeutet es also, dass sich Kinder gut entwickeln, trotz Stress und Belastungen im Alltag. Was sind denn Faktoren, die die Resilienz eines Kindes stärken?

Mike Faulhaber: Man spricht hier von sogenannten Schutzfaktoren und ein wichtiger Schutzfaktor ist natürlich die verlässliche Bezugsperson. Entweder innerhalb der Familie, das könnten der Vater, Mutter sein. Das können auch die Großeltern sein, manchmal sogar die große Schwester oder der große Bruder. Aber auch außerhalb könnte diese Bezugsperson sein. Wenn wir jetzt im Kita Bereich sind, dann sind es die Erzieherin oder der Erzieher. Wichtig dabei ist: Die Kinder müssen sich sicher fühlen. Das ist ein Punkt als Schutzfaktor. Ich denke fast der wichtigste Punkt. Es gibt natürlich noch andere Schutzfaktoren, die eine ganz große Rolle spielen. Man spricht zum einen von der Selbstwahrnehmung oder von der Fähigkeit der Kinder, selbstwirksam zu agieren, die Selbststeuerung zu haben, soziale Kompetenzen zu besitzen und den Umgang mit Stress in irgendeiner Art und Weise zu bewältigen bzw. fähig sein, Probleme zu lösen. Das gehört mit dazu. Das sind die sogenannten Schutzfaktoren, die eine ganz wesentliche und wichtige Rolle spielen.

Aileen Wrozyna: Wenn man sich mit Resilienz im Kita-Alltag und in der Kindertagespflege beschäftigt, dann begegnet man immer wieder den gleichen Sätzen. Manche davon nimmt man einfach so hin und hinterfragt sie nicht weiter. Und damit diese Sätze nicht zu Missverständnissen führen, würde ich gerne diese mit Ihnen mal auseinandernehmen.
Sprecher: Exekutive Funktionen fördern das Lern- und Sozialverhalten.

Aileen Wrozyna: Erst mal eine Verständnisfrage: Was verstehen Sie denn unter exekutiven Funktionen?

Mike Faulhaber: Wenn man von exekutiven Funktionen spricht, meint man zum einen, das Arbeitsgedächtnis zu schulen, um beispielsweise Informationen aufnehmen zu können. Das können Informationen sein, die Bilder sind, die Worte sind, die Zahlen sind. Wichtig hierbei ist es, diese Informationen bei Bedarf – also wenn sie gebraucht werden – wieder parat zu haben und wiedergeben zu können. Der zweite Punkt: Man spricht von der Inhibition und die Inhibition hilft beispielsweise, eigene Ziele zu verfolgen und Störungen, die auf so einem Weg sind, einfach ausblenden zu können. Und der dritte Punkt: Exekutive. Das ist die kognitive Flexibilität. Das heißt die Fähigkeit, den Fokus schnell zu wechseln, schnell hin und her zu switchen.

Aileen Wrozyna: Können Sie Inhibition kurz erklären, was genau damit gemeint ist?

Mike Faulhaber: Wenn man die Fähigkeit der Inhibition besitzt, hat man die Fähigkeit, eigene Ziele zu verfolgen und diese Ziele trotz Störungen gut in Angriff nehmen zu können. Also, sich nicht ablenken zu lassen, beispielsweise von irgendwelchen Dingen.

Aileen Wrozyna: Okay, und was bedeutet das jetzt gesamt? Also exekutive Funktionen fördern das Lern- und Sozialverhalten. Was genau ist damit gemeint?

Mike Faulhaber: Wenn wir von exekutiven Funktionen sprechen, spricht man auch immer von Selbstregulation, und darunter versteht man, dass man die Aufmerksamkeit steuern kann, dass man das Denken selber steuern kann, dass man sein Verhalten und seine Gefühle im Griff hat. Weil die nämlich in engem Zusammenhang stehen mit der sozialen, emotionalen Entwicklung oder auch mit der Fähigkeit, Stress, Bewältigungsstrategien anwenden zu können. Das kann man eigentlich so ganz, ganz grob dazu sagen.

Aileen Wrozyna: Und mit welchen Methoden können jetzt diese exekutiven Funktionen gesteigert werden?

Mike Faulhaber: Vorweg muss man wissen: Exekutive Funktion kann man ganz leicht durch Bewegungsspiel und Sport schulen. Man kann unterscheiden, wenn man im Sportbereich ist. Es gibt Individual-Aufgaben und es gibt Team-Aufgaben. Individual-Aufgaben für Kinder könnten beispielsweise sein, wenn sie über ein Hindernis balancieren müssen, wenn sie an der Kletterstange hangeln müssen oder wenn sie an der Sprossenwand hoch und wieder runterklettern müssen. Das hört sich erstmal ganz leicht an, aber für die Kinder ist es die Möglichkeit sich selber zu erproben. Wichtig ist hier kleinschrittig zu erproben. Die Kinder müssen das Gefühl haben, diese Aufgabe bewältigen zu können und man muss sie ermutigen. Sie müssen Freude an der Tätigkeit haben. Denn nur durch Freude kann man überhaupt etwas zu lernen. Wenn Kinder hier Stress empfinden oder wenn sie sich nicht wohlfühlen, dann können sie im Prinzip die Aufgabe auch nicht bewältigen. Deshalb ist  wichtig: Kleinschrittig mit Freude ans Werk gehen und immer wieder aufs Neue üben. Das ist ganz wichtig.
Lob spielt eine ganz große Rolle. Wenn man sagt: 'Oh, das hast du gut gemacht.' Ist das zwar eine schöne, eine wichtige Aussage. Das Kind fühlt sich wohl, kann aber nichts Konkretes damit anfangen. Wenn ein Kind etwas gut gemacht hat – beispielsweise ist es über der Bank balanciert, hat die Arme zur Seite ausgestreckt und sich konzentriert beim über die Bank gehen – ist es ganz wichtig zu sagen, was das Kind alles richtig gemacht hat, nämlich: die Arme fürs Gleichgewicht zur Seite gestellt, sich konzentriert auf den Weg. Beim nächsten Mal – wenn es ein bisschen schwieriger wird, es balanciert über eine Wippe – hat es all diese Hilfsmittel zur Verfügung und kann die nächste Aufgabe leichter bewältigen. So kann man sich das vorstellen.

Aileen Wrozyna: Ein anderer Satz, der im Zusammenhang mit Resilienz fällt, ist dieser:

Sprecher: Selbstregulation lernen Kinder bereits im KiTa-Alter: Impulskontrolle, Aufmerksamkeit willentlich lenken und Störreize ausblenden.

Aileen Wrozyna: Die Selbstregulation haben Sie schon angesprochen. Warum braucht ein Kind Selbstregulation?

Mike Faulhaber: Dazu muss man wissen, dass in den ersten Lebensjahren rasante Entwicklung im Gehirn stattfinden, die die Grundlagen für das spätere Leben schaffen. Hier werden komplexe Fähigkeiten wie Selbstreflexion, Fehler überwachen oder sich auch in andere einfühlen angelegt. Das sind Situationen, die es den Kindern erlauben, in verschiedenen Situationen gut oder richtig zu agieren und eigentlich den Problemen, vor die sie gestellt werden, selbst Herr zu werden. Um mit sich selbst gut auszukommen, mit anderen gut auszukommen und die Dinge, die funktionieren, zu erkennen und die die nicht funktionieren, nicht zu erkennen. Das meint man damit.

Aileen Wrozyna: Und wie können KiTa-Teams diese Selbstregulation bei Kindern fördern?

Mike Faulhaber: Immer wieder bei Spiel-, Sport- und Bewegungsaufgaben, die perfekt dazu geeignet sind. Ich spreche zum Beispiel von einem ganz bekannten Spiel, das ist das Feuer-Wasser-Sturm-Spiel. Bei dem Spiel geht es darum – das kennen die meisten Kinder – bei bestimmten Anweisungen bestimmte Sachen auszuführen. Bei Feuer müssen alle Kinder in die Ecke laufen, bei Wasser müssen sie irgendwo hochsteigen und bei Sturm müssen sie sich hinlegen. Wenn es darum geht die Impulskontrolle zu schulen, kann man diese Begriffe mit einem neuen Signal koppeln. Das heißt, erst wenn der Spielleiter beispielsweise eine grüne Karte nach oben hält, die die Kinder sehen können, darf erst dann diese Anweisung durchgeführt werden. Das ist ein Element, das ganz leicht erscheint. Aber für die Kinder ist es unheimlich schwer, weil sie normalerweise Anweisung hören und sofort in die Ecke flitzen oder hochsteigen wollen, wenn es Feuer ist. Aber so müssen sie sich noch gedulden und warten, bis tatsächlich die grüne Farbe erscheint. Dann können Sie die Sache erst ausführen. Immer wieder diese Impulskontrolle auszuführen bringt unheimlich viel und erleichtert später für die Kinder das Arbeiten, das Konzentrieren oder das sich auf sich selber konzentrieren. Das ist eine schöne Tätigkeit. Es muss nicht immer die grüne Farbe sein, man kann es auch mit anderen Signalen machen: ob es jetzt ein Pfiff ist oder ein Begriff, der damit einhergeht. Das ist ganz unterschiedlich. Das zu Feuer, Wasser, Sturm.
Es geht nicht nur um die Selbstregulation bei der Inhibition. Wenn wir das Arbeitsgedächtnis schulen wollen, habe ich jetzt nicht nur die drei Begriffe Feuer, Wasser, Sturm. Ich kann das nächste Mal sagen: Oh, es gibt noch den Blitz, bei dem man stehen bleiben und wackeln muss. Oder wir haben das Eis, bei dem man stehen bleiben oder das Kaugummi, bei dem man sich an die Wand kleben muss. Dann sind es schon sechs oder sieben Begriffe, die die Kinder machen, sich merken und wenn's gefordert wird, abrufen müssen. So kann ich viel mit den Kindern üben und sie schulen, was tatsächlich nützt, um die Selbstregulation zu fördern.

Aileen Wrozyna: Die letzte Phrase, die ich gerne mit Ihnen klären würde, ist folgende:

Sprecher: Kognitive Flexibilität steht im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Fähigkeiten in der Kindheit, wie Sprache und mathematische Fähigkeiten.

Aileen Wrozyna: Auch hier erst mal eine Begriffsklärung: Was ist denn kognitive Flexibilität?

Mike Faulhaber: Unter kognitiver Flexibilität versteht man die Fähigkeit, sich schnell auf neue Situationen umstellen zu können. Zum einen, wenn man in der Lage ist, seinen Fokus der Aufmerksamkeit schnell zu wechseln und zum anderen die Fähigkeit, andere Perspektiven einnehmen zu können. Das ist auf die Schnelle, was kognitive Flexibilität bedeutet.

Aileen Wrozyna: Wenn ich jetzt die kognitive Flexibilität von Kindern fördern möchte, welche Bewegungsspiele würden Sie empfehlen?

Mike Faulhaber: Das Schöne an ganz vielen Spielen ist, dass ein Spiel nicht nur für eine Sache zuständig ist. Ich kann das am Beispiel Feuer, Wasser, Sturm verdeutlichen: Wenn ich Feuer, Wasser, Sturm gespielt und jedem Begriff eine Tätigkeit zugeordnet habe, kann ich sagen: Feuer bedeutet nicht mehr in die Ecke laufen, sondern Feuer bedeutet auf den Boden legen. Sturm bedeutet nicht mehr, sich auf den Boden legen, sondern irgendwo nach oben steigen. Und Wasser bedeutet nicht mehr, nach oben steigen, sondern in die Ecke laufen. Die Kinder müssen sich also plötzlich, wenn sie die Begriffe hören, auf eine ganz neue Situation einstellen und blitzschnell wechseln von der einen Aufgabenstellung zur anderen Aufgabenstellung. Das wäre ein Beispiel, wie man aus bekannten Spiel ganz viele andere Dinge praktisch herausholt, um die kognitive Flexibilität zu schulen.
Ein zweites interessantes Spiel, was mir hier einfällt nennt sich Ampelfangen. Beim Ampelfangen geht es darum, dass die Kinder eine Ampel spielen und zu dritt hintereinander gehen. Das erste Kind hat die Farbe Rot, das zweite Kind hat die Farbe Gelb und das dritte Kind hat die Farbe Grün. Die Kinder gehen durch den Raum und der Spielleiter oder die KiTa-Leiterin oder KiTa-Leiter rufen eine Farbe. Die Farbe, die aufgerufen wird, läuft weg und die anderen beiden Kinder fassen sich an den Händen und versuchen die weggelaufene Farbe zu fangen. Und zwar so lange, bis sie wieder eine Ampel bilden. Dann gehen sie wieder hintereinander und die nächste Farbe kommt. Zum Beispiel Grün läuft weg, Rot und Gelb fassen sich an den Händen und versuchen die dritte Farbe zu fangen. Auch hier müssen sich die Kinder ständig auf neue Situationen einstellen und auch hier werden die exekutiven Funktionen richtig gut geschult.
Ein weiteres interessantes Spiel, um die kognitive Flexibilität zu schulen, ist das sogenannte Reifen-Stopp-Spiel. Es liegen verschiedene Reifen im Raum. Jedes Kind hat einen Reifen als Startpunkt. Bei Musik laufen die Kinder durch den Raum und wenn die Musik stoppt, müssen sie schnell wieder ihren eigenen Reifen finden. Das wäre die erste Aufgabe. Die zweite Aufgabe könnte sein: Die Kinder laufen wieder durch den Raum wenn die Musik ertönt und haben bei Musik-Stopp die Aufgabe, erst einen roten Reifen zu berühren, dann einen gelben und dann einen grünen Reifen, sodass es immer wieder neue Situationen, neue Aufgaben gibt, die die Kinder bewältigen können. So stellen sie sich immer wieder auf neue Situationen ein. Ich habe unterschiedliche Spiele genannt und alle Spiele unterstützen die Selbstregulation bzw. das Erlernen der exekutiven Funktionen. Die Selbstregulation ist ein wesentlicher Faktor, um die Schutzmechanismen der Kinder zu stärken. Ich habe ganz am Anfang erzählt, welche Schutzmechanismen, welche Stressbewältigungsstrategien, welche Problemlösefähigkeiten es gibt, die geschult werden müssen. All die kleinen Spiele, die ich genannt habe, unterstützen das Erlernen dieser Schutzmechanismen, was dann ein wesentlicher Punkt ist, dass die Resilienz der Kinder ausgebildet wird, sodass ich sagen kann: Über Bewegungsspiele, Sport, über das ganz viele bewegen, können die Kinder ihre Resilienz weiter ausbauen und sie erlernen. Das hilft den Kindern zu einem fröhlichen, erwachsenen Menschen zu werden, der sein Leben später im Griff hat.

Aileen Wrozyna: Das sagt der Lehrer und Coach für Brain Fitness, Mike Faulhaber. Vielen Dank für das Gespräch.

Mike Faulhaber: Gerne.

Aileen Wrozyna: Impulse für gute KiTa ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Wenn Ihnen der Podcast gefallen oder Sie sogar etwas gelernt haben, dann empfehlen Sie ihn doch gerne weiter.