Digitale Bildung im KiTa-Alltag: Vorurteile, Pro & Kontra
Digitale Medien in der KiTa – Sie bieten große Vorteile, schüren aber auch Ängste: Sind Kita-Kinder nicht noch viel zu klein? Befürchten Eltern nicht, dass ihre Kinder in der KiTa nur noch konsumierend vorm Tablet geparkt werden statt draußen zu spielen? Lassen sich pädagogische Fachkräfte auf neue digitale Entwicklungen ein? Wie solchen Ängsten begegnet werden kann, verraten uns Benjamin Wockenfuß, Initiatior des Medienkompetenz-Projekts DigiKids und Doris Gießenberg, Leiterin der PINGUIN Kindertagesstätte in Aurich. Beide entkräften in der vierten Folge des Gute-KiTa-Podcasts die gängigen Vorbehalte gegen die Digitalisierung in der KiTa und zeigen aus ihrer Praxis vielmehr die Potentiale auf. Sie berichten davon, wie Eltern und pädagogische Fachkräfte gemeinsam mit den Kindern einen richtigen Umgang mit digitalen Medien finden, wie sie dabei immer die Balance zwischen analogem und digitalem Spielen, Erforschen und Lernen halten sollten und wie sie am besten von dem Mehrwert digitaler Erlebnisräume profitieren können.
Sprecher: Der Gute-KiTa-Podcast – der Podcast für KiTa-Fachkräfte und die Kindertagespflege!
Tina Küchenmeister: Und damit herzlich Willkommen zum Gute-KiTa-Podcast der Deutschen Kinder- und Jugend Stiftung. Mein Name ist Tina Küchenmeister und ich spreche hier mit verschiedenen Expertinnen und Experten über gute Beispiele und erprobte Ansätze aus dem KiTa-Alltag. Das Ganze findet im Rahmen des Programms „Impulse für gute KiTa“ statt und in der heutigen Folge geht es um ein Thema, das uns wirklich alle betrifft und ohne das wir diesen Podcast gar nicht hören könnten. Denn die Rede ist von der fortschreitenden Digitalisierung. Längst ist diese auch in der frühkindlichen Bildung angekommen und Kinder haben immer früher Zugang zu digitalen Medien. Sie sind sozusagen schon Teil ihrer Lebenswirklichkeit. Und es ist deshalb umso wichtiger, die Kinder mit einzubeziehen, teilhaben zu lassen und ihnen auch den Wert von digitalen Medien zu zeigen. Diese Entwicklungen beeinflusst und fordert natürlich auch die pädagogische Arbeit in den Kindertagesstätten und der Kindertagespflege. Für pädagogische Fachkräfte ist es daher unverzichtbar, sich mit der digitalen Bildung auseinanderzusetzen. Trotzdem fühlen sich viele Fachkräfte in diesem Themenfeld manchmal unsicher. Wir wollen deshalb mal schauen, welche Vorurteile es im Hinblick auf Digitalisierung und der digitalen Bildung gibt und wie diese abgebaut werden können. Und dafür habe ich wieder zwei Expert:innen zum Gespräch eingeladen. Zum einen Herrn Benjamin Wockenfuß. Er ist ausgebildeter Suchttherapeut, Social-Media-Manager und Initiator und ehemaliger Projektleiter von DigiKids. Das ist ein Medienkompetenz-Projekt, das bereits im Kindergarten ansetzt und seit April 2017 am Start ist und ihr Ziel ist es, Kinder zu befähigen, sich in den digitalen Lebensräumen souverän zu bewegen, anstatt sich von ihnen beherrschen zu lassen. Hallo Herr Wockenfuß!
Benjamin Wockenfuß: Hallo und vielen Dank für die Einladung!
Tina Küchenmeister: Und ich habe Doris Gießenberg zum Gespräch eingeladen. Sie leitet die Pinguin Kindertagesstätte in Aurich, die 2020 den Deutschen Kita-Preis gewonnen hat. Hallo Frau Gießenberg!
Doris Gießenberg: Hallo in die Runde!
Tina Küchenmeister: Frau Gießenberg, fangen wir doch direkt mal in der Praxis an. Ihre Kita ist sehr modern und Sie setzen digitale Medien in der Verwaltung als auch in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern um. Und Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen beschäftigen sich also auch gezielt mit dem Thema Digitalisierung und digitale Bildung. Viele Fachkräfte haben ja in dem Bereich eher ein bisschen Berührungsängste und sind vielleicht ein bisschen unsicher im Umgang. Und hier kommt jetzt ein gängiges Vorurteil als Einspieler.
Sprecher: „Die Kinder sind zu klein für digitale Bildung und verlieren die Lust am Spiel in der Natur.“
Tina Küchenmeister: Ob das stimmt? Das wollen wir jetzt gemeinsam herausfinden. Welche Rolle spielt denn Digitalisierung bei Ihnen in der Kita Frau Gießenberg?
Doris Gießenberg: Schon eine recht große Rolle. Sie nimmt auch zunehmend Raum ein, denn die Zeit gibt es einfach im Augenblick auch her. Das, was wir vor Jahren gedacht haben, dass wir noch Zeit dafür hätten, uns und die Kinder darauf vorzubereiten, das hat sich in den letzten zwölf Monaten schon alles sehr verändert. Wir sind aber schon vor Jahren angefangen, darüber nachzudenken, was ist wichtig für uns in der Einrichtung? Wir haben das aufgesplittet zwischen Verwaltung, Mitarbeiter:innen und Kinder. Und der wichtigste Punkt ist erst einmal, die Mitarbeiter:innen mit ins Boot zu holen und die sensibel zu machen für dieses Thema. Es bedeutet nicht, wie Sie es gerade von dem Vorurteil benannt haben, Kinder vor einen Laptop hinzusetzen, etwas anzumachen und die Kinder können konsumieren. Wir Erwachsenen müssen lernen, den Kindern die Möglichkeit zu geben, damit umzugehen. Aber damit müssen wir erst einmal selber lernen, damit umzugehen. Wann nutzen wir es? Wie professionell sind wir in der Vergabe und in der Benutzung dieser Geschichten? Es war für uns ein recht langer Prozess und ich gehöre ja nun auch selber schon zum älteren Semester, sag ich mal, auch wir mussten alle Mitarbeiter:innen erst mal ins Boot holen und uns darüber im Klaren sein, was wir wollen. Man darf sich nicht immer auf den PC fokussieren. Ich denke, es gibt Tablets bei uns, es gibt Fotoapparate, es gibt Videokameras, wir haben einen Podcast. Wir haben Mikrofone, mit denen wir etwas aufnehmen. Die Kinder haben Fotoapparate auch in den Gruppen. Da können wir zum Teil Filme schon selber mit drehen. Also es ist eine Bandbreite. Und je mehr wir in dieses Thema eintauchen, desto mehr lernen Kinder, welche Geräte auch wie zu nutzen sind. Ein Beispiel ist, wir haben hier einen Komposthaufen und zufällig sah unsere Putzfrau, dass dort Mäuse ihr Nest gebaut haben. Wir haben einen Komposthaufen, der ist verglast. Man kann also bis nach unten gucken. Sie schickte dann ein Bild an die Einrichtung und sagte, dass es in unserem Komposthaufen eine Maus gibt. Die Kinder haben das Bild gesehen und fragten dann natürlich auch, was sind das für Mäuse? Sind das Hausmäuse oder sind das Feldmäuse oder was auch immer? Ich habe dann gesagt, dass ich das auch nicht weiß. Aber dann kann man das Medium nutzen und dann muss man die Kinder fragen: Was wollt ihr denn jetzt eigentlich wissen? Wie komme ich an diese Information ran? Das ist so der erste Schritt. Also hier habe ich meinen PC, was muss ich wo eingeben und was passiert dann? Und ich würde einfach noch gerne mal unterstützen: Es ist unser Umgang. Wir gehen nicht von oben herab und sagen: Ich such jetzt mal eben für dich. Sondern wir fragen uns: Finden wir etwas in der Bücherei dazu oder kennt vielleicht ein Kind den Unterschied? Dann befragen wir das Kind. Da haben wir die Experten hier vor Ort. Aber wenn wir keinen Experten finden, der das genau weiß, dann haben wir immer noch ein Medium, das wir fragen können. Aber diesen Weg des Fragens und der Überlegung – Wo finde ich eine Lösung oder wo finde ich eine Antwort auf meine Frage – das ist der wichtigste Prozess.
Tina Küchenmeister: Herr Wockenfuß, Sie haben das Projekt DigiKids ins Leben gerufen und waren auch als Projektleiter tätig und beschäftigen sich genau mit diesem Thema. Was sind denn Ihre Erfahrungen an der Stelle, auch wenn es in Richtung Berührungsängste geht?
Benjamin Wockenfuß: Also wir haben schon ganz viele spannende Sachen gehört, da war ganz viel Richtiges dabei. Grundsätzlich ist das Tablet ein pädagogisches Werkzeug in der Kita. Also genauso wie die Bastelschere, genau wie das Außengelände. Und wir machen glaube ich einen Fehler, wenn wir so ein Entweder-Oder-Spiel spielen. Also analog und digital schließt sich nicht aus. Es sollte partizipativ ineinandergreifen und ganz, ganz wichtig – und deswegen halte ich die Kita für so eine wunderbare Erlebnisplattform – ganz wichtig ist da an der Stelle, dass die Kinder früh so eine Art, ich nenne das gerne digitale Balance, lernen. Also wann ist der digitale Impuls hilfreich? Und wann ist es wunderbar analog zu sein? Also digital auch im Kontext der frühen Kindheit ist nie ein Selbstzweck, sondern verfolgt immer eine pädagogische Wozu-Frage, der wir da nachgehen.
Tina Küchenmeister: Und diese digitale Balance Herr Wockenfuß, die Sie gerade angesprochen haben, was ist denn dafür notwendig? Ja, was ist dafür essenziell?
Benjamin Wockenfuß: Also digitale Balance für Kinder, da braucht es erst einmal Erwachsene, die digitale Balance haben. Also wir lasten den Kindern so viel auf, was die alles können sollen in dieser mediatisierten Gesellschaft und haben selber nicht drauf unser Smartphone ordentlich in die Hand zu nehmen und das ordentlich zu bedienen. Wir sind mehr auf Instagram und WhatsApp, als dass wir das Handy zielgerichtet wirklich als Werkzeug verwenden. Das ist so der erste Punkt. Also wir sollten ein digitales Klima schaffen, in dem unsere Kinder lernen, dass es digitale Freiräume und digitale Räume gibt. Mal macht es total Sinn, mit dem Smartphone, mit dem Tablet zu arbeiten und mal ist das gar nicht nötig. Zum Beispiel in Essensphasen, in Vorlesephasen, in Erzählphasen, also immer dann, wenn wir so einen interpersonellen Austausch haben, brauchen wir gar kein Tablet und kein Smartphone. Und wenn wir uns erst einmal selber die Frage stellen: Wie stehen wir zu diesen Medien? Wie stehen wir zu digitalen Endgeräten und deren Benutzung im Alltag? Wenn wir die Frage für uns beantwortet haben, können wir wunderbare Vorbilder für unsere Kinder sein, in der Balance, in der Ausgewogenheit mit digitalen Medien arbeiten. Die Frage ist immer: Ist das, was ich digital machen will, besser digital darzustellen oder nicht? Also ich möchte jetzt was malen. Kann ich das digital besser, als ich das mit Stiften und Papier könnte? Wenn ich die Frage nicht direkt beantworten kann, dann lohnt es sich nochmal nachzudenken, ob ich überhaupt diesen digitalen Impuls brauche. Wenn wir aber eine Fotocollage machen von einem Ausflug oder wir wollen einen Comic selber bauen, da macht es total Sinn. Oder wir wollen ein Video schneiden. Da macht es total Sinn einen digitalen Impuls zu nehmen, digitale Anwendungen zu nutzen. Und diese Frage: „Hat digital einen Mehrwert für mich in der pädagogischen Arbeit mit dem Kind?“ ist immer der Ausgang.
Doris Gießenberg: Also ich kann das nur unterstützen, was Sie gerade eben gesagt haben, weil wir Erwachsenen sind auch Vorbilder. So wie wir mit den Medien umgehen, so geben wir das auch ein Stück weit weiter. Wie Eltern mit den Medien umgehen, so geben sie das auch an ihre Kinder weiter. Also der Erwachsene ist erst einmal der Schlüssel, um alles weitere aufzulösen. Es ist mir auch nochmal ganz wichtig. Darum war bei uns in der Einrichtung auch wichtig, dass wir erstmal als Mitarbeiter:innen uns darüber im Klaren sind, wo und wann wollen wir was wie einsetzen. Dem einen fällt das eine leichter, zum Beispiel eine Podcast-Geschichte zu machen, dem anderen fällt es leichter ein Video mit den Kindern aufzunehmen. Aber es fängt immer erstmal bei uns Erwachsenen an, dass wir, wie sie gerade auch schon sagten, hinterfragen, was wollen wir eigentlich? Wir haben vor kurzem hier einen großen Bildschirm oder einen Monitor bekommen für den Hortbereich, damit Kinder im Schulalter lernen, wie gestalte ich eine Präsentation? Das können sie so machen, dass andere gleichzeitig mit gucken. Wir haben aber auch gemerkt, dass dieser Monitor auch eine gute Möglichkeit ist, Kinder, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, dieses Medium zu zeigen und mit ihnen gemeinsam auf diesen großen Monitor, der wirklich extrem groß ist, zu gucken. Was bedeutet das? Wir können gleichzeitig dort eine Sprachaufnahmen machen. Das heißt, wenn ich eine Blume dort zeige oder die Kinder malen eine Blume oder ich nehme das Wort Blume und die Kinder malen dazu, sagen es in ihrer Sprache und wir sagen es in unserer Sprache. Dann können sie sich nochmal wieder hören und können uns hören. Und so denke ich, ist eine wichtige Verbindung da. Es wird nicht konsumiert, sondern es wird damit gearbeitet.
Tina Küchenmeister: Jetzt haben wir ja schon viel über die Kinder und auch die Fachkräfte gesprochen. Aber es ist natürlich auch ganz wichtig, die Interessen und auch die Ängste der Eltern im Blick zu behalten. Und ein gängiges Vorurteil lautet:
Sprecher: „Eltern unterstützen digitale Bildung nicht, weil sie befürchten, ihre Kinder werden vor Tablets geparkt.“
Tina Küchenmeister: Das hatten wir auch schon so ein bisschen im Gespräch, dass das bei Ihnen in der Kita nicht so ist. Das klingt zumindest nicht so. Frau Gießenberg, was glauben Sie denn? Wo kommen dann solche Vorurteile her?
Doris Gießenberg: Ich sagte es gerade schon einmal, die Eltern sind Vorbild. Und wenn Eltern die digitalen Medien auch zu ihrem eigenen Konsum nutzen, um einfach sich nur berieseln zu lassen und ständig bei WhatsApp da zu sein, wenn die den Kinderwagen schieben, und sie haben ihr Smartphone in der Hand, statt mit den Kindern nach links und rechts zu gucken, dann sind das wahrscheinlich auch die Eltern, die Sorge haben, dass ihr Kind nur konsumiert. Wenn ich hier Eltern habe, die vielleicht auch etwas sorgsamer damit umgehen und mit ihren Kindern gemeinsam bei Wikipedia einen Begriff suchen oder mit ihren Kindern gemeinsam ein Spiel spielen und nicht Kinder einfach nur zuhause vor solchen Sachen parken, dann haben sie eine andere Einstellung dazu.
Tina Küchenmeister: Herr Wockenfuß, wie ist das denn aus Ihrer Sicht? Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den Eltern, um da vielleicht auch diese Vorurteile zu entkräften?
Benjamin Wockenfuß: Ja, also eine ganz wichtige Rolle. Also wir, wir haben ja die Trias Familie, Kind und KiTa als Institution oder Kindergarten und alle drei müssen zusammenarbeiten. Deswegen finde ich diesen Begriff digitaler Klimawandel auch griffig, weil er ja uns alle betrifft, Groß und Klein und institutionell geprägt und nicht institutionell geprägt. Bei dem Bild der Eltern würde ich so ein bisschen vielleicht differenzieren. Ich unterstelle erst einmal allen Eltern, dass sie das Beste fürs Kind wollen. Wir sind aber eben auch in einer Phase, wo wir Digitalität oder die Kultur der Digitalität, die Kulturtechniken, die damit verbunden sind, ja nirgendswo gelernt haben. Also schreiben, das lernen wir. Die Alten bringen das den Jungen bei. Wie man Wasser kocht, wie man vor einem Mammut abhaut oder irgendwas – alles haben uns die Alten beigebracht. Wir haben das gelernt und irgendwann selber den Jungen weitergegeben. Bei der Digitalität ist das nicht möglich. Also ich richte die die E-Mail-Konten für meine Eltern ein. Also die Jungen transportieren das an die Älteren. Wir haben also so einen Paradigmenwechsel. Und das trifft natürlich auch die KiTa-Eltern. Und die haben ja nicht ganz Unrecht, wenn sie sagen: Okay, das Smartphone oder das Tablet sind potenziell eine Quelle der Ablenkung. Genauso glaube ich, gibt es Präsenzphasen mit digitalen Medien, wo es völlig okay ist, digitale Medien zu nutzen.
Tina Küchenmeister: Wenn man jetzt so Regeln aufstellt zur Mediennutzung – und Sie haben eben schon gesagt, eine Regel ist es, ein bisschen selbstkritisch zu sein auch für die Eltern und nicht dann zu sagen, die Kinder dürfen nur Sachen konsumieren, die irgendwie tatsächlich einen Bildungsauftrag haben, sondern vielleicht auch mal was spielen, was irgendwie ja nicht gerade mit einem Lerninhalt verbunden ist – was für Regeln gibt es denn da noch, Herr Wockenfuß?
Benjamin Wockenfuß: Also die erste Regel ist: Alle Regeln gelten für alle. Also etwas, was gar nicht geht, ist die Regel zu haben „Kein Smartphone am Tisch“ und Papa oder Mama checkt dann doch die E-Mails abends. Ebenso ist es in der Kita. Wir müssen das Tablet, das Smartphone da wirklich als pädagogisches Instrument sehen. Was nicht geht, ist, dass irgendwie andere Sachen damit gemacht werden, die nicht in diesem pädagogischen Kontext stattfinden. Und dann ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die Geräte frei zugänglich sind. Und dann haben wir in der KiTa aus meiner Sicht ganz, ganz wichtig, diese Wozu-Frage. Wozu brauchen wir das gerade? KiTas arbeiten mit Medienzeiten. Ich finde für den Start ist das irgendwie hilfreich, so eine Regel „Jeden Mittwoch haben wir von zwei bis drei Medienzeit.“ Wobei das eben dieser Kultur der Digitalität gar nicht gerecht wird, weil Medien sind irgendwie immer bei uns und wir fragen uns immer: Ist das gerade Priorität eins digital mit einem Medium zu arbeiten oder analog? Ansonsten ist für mich auch eine wichtige Regel, dass wir Erwachsenen transparent sind. Das Schlimmste, was sie in einem KiTa-Kontext machen können, ist zum Beispiel Folgendes: Frage eines Kindes „Wie schlafen Bienen?“ Toller Impuls. „Hey, wir schauen mal, ob wir ein Buch dazu haben.“ „Nein, haben wir nicht.“ Überraschung. „Jetzt schauen wir mal, ob wir im Tablet etwas darüber finden.“ Super gut, wenn wir das gemeinsam mit dem Kind tun. Es gibt tolle Suchmaschinen, auch für Kinder. Nicht so gut ist es, wenn wir das als pädagogische Rollenvorbilder so mit dem Smartphone in der Tasche schnell uns irgendwie über Google oder andere Suchmaschinen zusammensuchen und dem Kind dann wie ein Halbgott sagen „Ich habe die Lösung, die habe ich aus dieser Zauberkiste herausgezogen.“ Das ist natürlich Quatsch. Also genau wie Frau Gießenberg es auch beschreibt. Nicht über Kinder medialen Konsum erleben lassen, sondern mit den Kindern gemeinsam. Die können Videos schneiden, die können recherchieren. Und das sind alles ganz wichtige Lebenskompetenzen, die sie für ihr späteres Leben brauchen. In der frühen Kindheit, also vom nullten bis zum sechsten Lebensjahr ist Medienzeit immer eine begleitete Zeit. Das Kind ist nicht allein mit dem Medium. Dann bekomme ich nämlich ein ganz gutes schnelles Bild, weil ich bin der Experte oder die Expertin für die Schwingungen meines Kindes. Wenn ich als Erzieher:in oder als als Elternteil mit dem Kind den Tag verbringe, dann bekomme ich eine Idee davon, wann jetzt genug ist. Wann ich diese Impulse nicht mehr verarbeiten kann als Kind. Das ist das eine und das andere ist, ich gehe immer gemeinsam mit dem Kind hinein in die Anwendung und wieder raus. Wir wissen aus Studien, dass Medienzeit, Onlinespiele, App-Spiele für Kinder durchaus immersiv wirken, also sehr, sehr einnehmend wirken. Und es heißt dann eben auch, das ist wie ein kleines Rollenspiel. Und wenn ich in eine Rolle hinein gehe, da muss ich mich auch wieder aus der Rolle lösen. Das senkt das Stressniveau und das lässt mich diese Aktivität abschließen und das plane ich einfach so ein Stück weit mit ein. Aber das ist auch nichts, was jetzt Digitalität exklusiv gepachtet hat.
Doris Gießenberg: Ich kann es eigentlich nur unterstützen. Es trifft so das, wo wir auch stehen, die Kinder müssen mitgenommen werden.
Tina Küchenmeister: Jetzt haben wir viel über die Kinder gesprochen. Die Eltern, die haben wir jetzt auch an Bord. Jetzt fehlen noch so ein bisschen die Fachkräfte in den KiTss. Und dazu haben wir auch ein Vorurteil rausgesucht. Und das lautet:
Sprecher: „Es ist schwer, pädagogische Fachkräfte für die Digitalisierung zu motivieren.“
Tina Küchenmeister: Frau Gießenberg, hatten Sie denn Probleme damit, Fachkräfte zu finden, die Freude und Spaß an der digitalen Bildung mitbringen?
Doris Gießenberg: Naja, erstmal hab ich sehr viele junge Kolleg:innen. Das ist schon mal ein ganz großer Vorteil. Wir haben uns aber vor zwei oder drei Jahren hingesetzt, um zu überlegen: Was ist uns wichtig? Was würde uns in unserer Arbeit helfen? Und das ist im Grunde genommen genau das, was wir bei den Kindern auch machen. Was brauchen wir wofür? Es gibt so ein paar Sachen, die wir dann angeschoben haben. Eine Sache war zum Beispiel, dass viele sagen: Es wäre gut, wenn wir den Eltern die Elternbriefe digital zukommen lassen können. Denn wenn wir hier Zettel ausdrucken, ist es aus umwelttechnischer Sicht schon mal nicht so gut. Aber der zweite Punkt ist auch: Viele Eltern sagen „Ich habe den Zettel nicht bekommen.“ Wir haben aber auch dann gemerkt, dass wir Mitarbeiter:innen haben, die haben ungeahnte Stärken, die wir vorher noch gar nicht so gemerkt haben. Wir hatten damals einen jungen Kollegen, der hat gesagt „Filme schneiden, das wäre mal mein Ding. Das würde ich gerne machen.“ Ja, dann machen wir das. Dann haben wir uns Equipment dazu besorgt, dass wir hier Filme aufnehmen können. Also es hat an Schnelligkeit dann damals schon sehr zugenommen. Und es hat dann eigentlich gezeigt – und die Antwort der Eltern und der Kinder hat es eben auch so zurück gespiegelt – dass das gut ist, dass wir es so machen. Und das ist eine Hilfestellung auch für Eltern und für Kinder ist. Diese Newsletter-Geschichte hatten wir vor anderthalb Jahren, als wir damit begonnen haben, haben eigentlich nur zwei Mitarbeiter gesagt, wir würden uns da gerne beteiligen und wir würden dann Artikel dafür schreiben. Da sind alle Mitarbeiter im Boot und ich hatte vorher eine Kollegin, die im Grunde genommen diese Newsletter nochmal gesteckt hat. Inzwischen habe ich hier fünf Kollegen, die das gerne machen wollen und sich da hineinbegeben haben. Also es ist so ein Selbstläufer eigentlich geworden.
Tina Küchenmeister: Frau Gießenberg, Herr Wockenfuß, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch und für die spannenden Impulse, die Sie uns heute gegeben haben. Und ja, vielen Dank für Ihre Zeit.
Benjamin Wockenfuß: Sehr gerne.
Doris Gießenberg: Vielen Dank auch Ihnen.
Tina Küchenmeister: Das war Folge 4 von unserem Gute-Kita-Podcast und ich habe aus dem Gespräch einiges mitgenommen, das hilft, unsere Vorurteile zu entkräften. Das erste Vorurteil lautete, dass die Kinder zu klein sind für digitale Bildung und so die Lust am Spielen in der Natur verlieren. Doch am Beispiel der Kompostmaus hat Frau Gießenberg ganz schön gezeigt, wie digital und analog sich innerhalb einer Kita ergänzen können. Und welche Rolle die Eltern spielen, ist auch nochmal ganz deutlich geworden, als wir uns mit dem zweiten Vorurteil genauer beschäftigt haben. Es lautete: Eltern unterstützen digitale Bildung nicht, weil sie befürchten, dass ihre Kinder vor Tablets geparkt werden. Im Gespräch ist aber deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass wir Erwachsenen unser Nutzungsverhalten erst einmal selbstkritisch hinterfragen und dass genau geschaut wird, wann macht das Nutzen von einem Tablet oder auch einem PC denn wirklich Sinn. Denn wenn die Eltern einen bewussten Umgang mit digitalen Medien vorleben, entkräftet das auch die Angst, dass ihre Kinder in der Kita vor Tablets geparkt werden. Zudem ist ein transparenter Umgang der Kita natürlich wichtig und es hilft auch den Eltern, dann neue Wege der digitalen Bildung nachzuvollziehen und sich mit ihnen vertraut zu machen. Das dritte Vorurteil lautete: Es ist schwer, pädagogische Fachkräfte für die Digitalisierung zu motivieren. Doch am Beispiel der kleinen Videos, die einer ihrer Mitarbeiter gedreht hat, und auch am Beispiel des digitalen Newsletters konnte Frau Gießenberg deutlich machen, dass ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchaus motiviert sind. Und wie wichtig es auch ist, individuelle Interessen und Fähigkeiten sichtbar zu machen und zu fördern. „Impulse für gute KiTa“ ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Im Rahmen von unserem „Impulse für gute KiTa“-Programm finden Sie übrigens nach mehr Tipps und Anregungen zum Thema Beteiligung und Partizipation. Also schauen Sie doch zum Beispiel mal bei unserem Gute-KiTa-TV vorbei oder lesen Sie unser Gute-KiTa-Know-how. Mein Name ist Tina Küchenmeister und ich freue mich, wenn sie bei der nächsten Folge wieder dabei sind.
Sprecher: Der Gute-KiTa-Podcast – Der Podcast für Kitafachkräfte und die Kindertagespflege.