Sprachbildung am Übergang Kita-Schule

3 Fragen an Manfred Enzinger, Koordinator BiSS-Verbund Brunnenviertel

Manfred Enzinger ist Verbundkoordinator im BiSS-Verbund „Sprachbildung durch entdeckendes Lernen in der Lernwerkstättenarbeit am Übergang Kita-Grundschule“. BiSS steht für „Bildung durch Sprache und Schrift“ und ist ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das von Bund und Ländern gestartet wurde. Im Berliner Zusammenschluss im Brunnenviertel kooperieren drei Schulen mit vier Kitas und den vier Lernwerkstätten der Lichtburg-Stiftung. Diese werden als Lernort genutzt, die Kinder können dort forschen und selbstreguliert lernen. Dabei wird besonderen Wert auf Sprachbildung gelegt.

In Ihrem Verbund sind die Lernwerkstätten zentral. Sie widmen sich verschiedenen Themen, die sehr kreativ bezeichnet sind: „Zauberhafte Physik“, „Klingendes Museum“, „Museum“ und „Medienwerkstatt“. Was verbirgt sich dahinter und was wird dort geboten? Was können Kinder dabei lernen?

Die Lernwerkstätten widmen sich verschiedenen Thematiken, mit denen sich die Kinder auseinandersetzen. In der „zauberhaften Physik“ geht es zum Beispiel um naturwissenschaftliche Phänomene. Etwa um Wasser oder um Luft. Die Kinder bekommen verschiedene Materialien angeboten, mit denen sie experimentieren können. Die Lehrwerkstätten sind also ganz interaktiv angelegt, die Kinder lernen durch eigenes Entdecken. Das machen sie meist zu zweit und helfen sich gegenseitig. Außerdem werden sie von Pädagoginnen und Pädagogen begleitet. Im „klingenden Museum“ stehen verschiedene Instrumente bereit. Ein oder zwei davon werden von den Lehrpersonen vorgestellt, danach dürfen die Kinder die Instrumente selbst ausprobieren. Sie entlocken ihnen Töne, singen gemeinsam. In der Lernwerkstatt „Museum“ wird beispielsweise das Naturkundemuseum besucht und dieser Ausflug anschließend in der Lernwerkstatt ausgewertet. Und in der „Medienwerkstatt“ produzieren die Kinder kleine Filmchen. Sie überlegen sich Geschichten und basteln – sie versuchen ihre Geschichte in einzelnen Bildern umzusetzen. Diese werden dann fotografiert und hintereinander geschnitten. So entsteht ein Zeichentrickfilm. Das ist für die Kinder echt der Hit.

In den verschiedenen Lernwerkstätten tragen die Kinder außerdem ihre Ergebnisse in ein Forschertagebuch ein und stellen sie dann der Gruppe vor. Manchmal gestalten sie auch ein Lernplakat. Das wird aufgehängt und ist Anlass den Besuch und das Gelernte immer wieder mal aufzugreifen. Die Kinder sind stolz auf das Erlebte – mit so einem Plakat lässt sich das gut zeigen.

Welche Rolle spielt die sprachliche Bildung in der Lernwerkstattarbeit und wie wird sie konkret umgesetzt?

Kinder nutzen Wörter, die sie kennen. In den Lernwerkstätten entstehen Situationen, in denen wir ihnen neue, passende Begriffe nahebringen. Mit einem Hammer zum Beispiel „schlägt“ man auf einen Nagel und benutzt ihn nicht, um den Nagel „hinein zu machen“. Es ist wichtig, den Kindern Worte an die Hand zu geben. Die Kleinen können ja noch nicht lesen. Wir nutzen also Anlässe, um Dinge zu benennen. Wenn die Kinder den Begriff dann mehrmals im richtigen Kontext hören und selbst einsetzen, dann haben sie ihn verinnerlicht. Je jünger sie sind, umso schneller geht dieser Prozess. Indem wir uns gemeinsam über Phänomene austauschen, vermitteln wir ihnen auch Satzanfänge und Satzstrukturen. Damit haben wir ganz tolle Erfolge erzielt. Wenn uns die Kinder dann ihre Erlebnisse in der Lernwerkstatt vorstellen, staunen wir oftmals, was sie inzwischen alles sagen können. Die Arbeit in den Lernwerkstätten ist für uns also ein Medium, um sprachliche Bildung weiterzugeben. Sie ist die Ausgangsbasis für Präsentationen, sie liefert Inhalte und Erkenntnisse, die die Kinder vorstellen und dokumentieren können. So lernen sie auf verschiedenen Ebenen. Ganz wichtig ist auch: gerade auf schüchterne Kindern hat das ganz enorme Effekte. Es macht Mut, zu erleben, dass andere etwas vorstellen. Viele zurückhaltende Kinder trauen sich dann auch, es selbst auszuprobieren.

Ziel des Projekts ist es, möglichst viele Besuche in gemischten Gruppen aus Kita und Schule durchzuführen. Warum?

Weil die Kinder davon in jedem Fall profitieren. Die Kita-Kinder kommen so in Lernzusammenhänge, auf die sie später in der Schule treffen. Das ist eine Art Vorbereitung, die in der Kita in der Form nicht stattfinden kann. Und die Schulkinder profitieren davon, weil sie den Kleineren helfen, ihnen etwas erklären, vorlesen oder das gemeinsam Entdeckte aufschreiben. In der ersten Runde unseres Projekts konnten wir das allerdings nicht immer so umsetzen, wie wir eigentlich wollten. Oft sind es terminliche Schwierigkeiten oder die Gruppengrößen, die nicht exakt zusammenpassen. Dass wir externe Lernwerkstätten genutzt haben, hat sich da besonders bemerkbar gemacht und wir haben nicht so viele gemeinsame Gruppen hinbekommen. Gerade für die Schule ist es aufwändig, extra zu externen Lernwerkstätten hingehen zu müssen.

Für die Zukunft möchten wir deshalb flexibler werden. Da sollen eine Grundschule und eine Kita gemeinsam eine Lernwerkstatt gründen, direkt in der einen oder anderen Einrichtung. Das muss kein Klassenzimmer sein oder ein ganzer Raum. Manchmal reicht eine Ecke und die Möglichkeit, dort separat selbständig zu entdecken. So können wir die Gruppen besser zusammenstellen, mal sechs Kinder aus der Kita und sechs aus der Schulklasse, die anderen bleiben im regulären Unterricht. Und beim nächsten Mal kommen wieder andere dran.