Bund-Länder-Konferenz 2016 „Frühe Bildung – Mehr Qualität für alle Kinder“
Bund und Länder wollen künftig eine höhere Qualität in der Kindertagesbetreuung und eine dauerhafte Finanzierung der Qualitätsentwicklungen sicherstellen. Darauf haben sich die zuständigen Ministerinnen und Minister auf der Konferenz „Frühe Bildung – Mehr Qualität für alle Kinder“ am 14. und 15. November 2016 in Berlin geeinigt.
Bereits seit 2014 haben Vertreterinnen und Vertreter von Bund und Ländern in enger Zusammenarbeit mit den Kommunalen Spitzenverbänden in der Arbeitsgruppe „Frühe Bildung“ gemeinsame Handlungsziele entwickelt und Vorschläge für Finanzierungsgrundlagen erarbeitet. Die in der Kindertagesbetreuung verantwortlichen Verbände und Organisationen sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis unterstützten die Arbeitsgruppe dabei im Rahmen eines Expertendialogs. Die Ergebnisse der Arbeit der AG „Frühe Bildung“ liegen mit dem Zwischenbericht 2016 von Bund und Ländern „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“ vor.
Erklärung „Frühe Bildung – Mehr Qualität für alle“
Nach einem Austausch zum Zwischenbericht unter Bund, Ländern und Kommunalen Spitzenverbänden am 14. November 2016 unterzeichneten am Folgetag die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, sowie der Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, Günter Baaske, für die Jugend-und Familienministerkonferenz auf einer Pressekonferenz die politische Erklärung mit dem Titel „Frühe Bildung – Mehr Qualität für alle“. Darin bekräftigen Bund und Länder ihr Ziel, die Qualität der Kindertagesbetreuung weiter voranzutreiben und den Qualitätsentwicklungsprozess gemeinsam fortzusetzen; sie sehen dafür im Zwischenbericht eine gute Grundlage und sind sich einig, dass die Umsetzung eine dauerhafte, erheblich höhere Bundesbeteiligung notwendig macht. Mit der Erklärung beauftragen sie die Arbeitsgruppe „Frühe Bildung“ bis zur Jugend- und Familienministerkonferenz 2017 einen Vorschlag zur weiteren Ausgestaltung des Qualitätsentwicklungsprozesses und zur finanziellen Sicherung vorzulegen.
Auf der Pressekonferenz betonte die Bundesfamilienministerin: „Mütter und Väter in Deutschland wünschen sich für ihre Kinder gleiche Bildungs- und Entwicklungschancen und eine gute Betreuung in der Kita. Ich freue mich, dass sich heute Bund, Länder und Kommunen erstmals darauf verständigt haben, gemeinsam eine Qualitätsoffensive in der Kindertagesbetreuung zu starten. Bis zum Frühjahr 2017 sollen die Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz erarbeitet werden, das den länderspezifischen Bedürfnissen gerecht wird. Das heißt auch, dass wir künftig wesentlich mehr Mittel investieren müssen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Kosten fairer auf Bund, Länder und Kommunen verteilt werden. Ein großer Erfolg ist es bereits, dass der Bund in 2017 bis 2020 noch mal rund 1,7 Milliarden Euro zusätzlich für die Kindertagesbetreuung geben wird. Klar ist aber auch, dass wir damit noch lange nicht am Ziel angelangt sind.“
Auch Minister Baaske zeigte sich mit dem gemeinsamen Bericht zufrieden: „Sowohl der familienpolitische als auch der bildungspolitische Auftrag stellen hohe Ansprüche an stabile Strukturen und die pädagogische Qualität. Deshalb sind Qualitätsstandards für die Kindertagesbetreuung unverzichtbar. Länder und Kommunen sind hierbei schon seit langem auf dem Weg. Von Länderseite begrüßen wir es ausdrücklich, wenn der Bund eine zielgerichtete und differenzierte finanzielle Unterstützung der Qualitätsentwicklung zusagt.“
Fachempfang mit Bund, Ländern, Kommunen, Fachpraxis und Wissenschaft
Beim anschließenden Fachempfang mit Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden sowie aus Wissenschaft und Fachpraxis wurden die zwischen Bund und Ländern getroffenen Vereinbarungen und der Zwischenbericht vorgestellt.
Instrumentenkasten berücksichtigt länderspezifische Bedarfe
In ihren Grußworten wiesen Bundesfamilienministerin Schwesig und Dr. Birgit Klaubert, Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Thüringen, darauf hin, dass die aktuellen Rahmenbedingungen für Kindertagesbetreuung in den Ländern sehr unterschiedlich gestaltet sind, was bei der Umsetzung von Qualitätszielen berücksichtigt werden müsste. Bund und Länder sprachen sich daher für einen sogenannten „Instrumentenkasten“ aus, der verschiedene Qualitätsbereiche der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung definiert und den Ländern ermöglicht, nach landespezifischem Entwicklungsbedarf die passenden Maßnahmen auszuwählen. „So könnten zum Beispiel einige Länder die Verbesserung des Personalschlüssels anstreben, andere dagegen in die Leitungsfreistellung oder die Beitragsbefreiung investieren“ erläuterte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Ministerin Klaubert erklärte: „Der Prozess des Ausbaus gerade der Betreuung von Kindern unter drei Jahren verlief in den alten Bundesländern in den letzten Jahren rasant und war größtenteils Neuland. In den neuen Ländern konnte hier auf eine gewisse Tradition zurückgegriffen werden. In einem anderen Bereich dagegen, der Betreuung von Kindern mit Migrationshintergrund, verfügen wiederum die alten Länder über mehr Erfahrungen. Dies zeigt beispielhaft, dass zum einen unterschiedliche Prioritäten im weiteren Qualitätsprozess zu setzen sind und wir im Prozess der Umsetzung sicher auch voneinander lernen können.“ Grundlage für den Instrumentenkasten soll ein Qualitätsentwicklungsgesetz sein.
Neun Handlungsfelder für mehr Qualität
Einen fachkundigen Überblick über die neun Handlungsfelder des Zwischenberichts und ihre Ziele verschaffte Prof. Dr. Bernhard Kalicki vom Deutschen Jugendinstitut, der die Arbeitsgruppe „Frühe Bildung“ im Qualitätsentwicklungsprozess unterstützt hat. Gemeinsam mit dem Moderator der Veranstaltung, Johannes Büchs, stellte er den Teilnehmenden des Fachempfangs die wichtigsten Ziele des Zwischenberichts vor und schilderte das Vorgehen in der Arbeitsgruppe: „Bei der Diskussion der Handlungsfelder in der AG „Frühe Bildung“ wurde das Thema Finanzierung zunächst bewusst zurückgestellt. Schließlich sollte dabei die Frage „Welche Qualität sollte Kindertagesbetreuung haben?“ im Fokus stehen und nicht die Frage „Können wir das überhaupt bezahlen?“.“ Der Zwischenbericht zeige Ziele und Wege auf, deren konkrete Ausgestaltung nun auf politischer Ebene weiter ausgehandelt werden müsse.
Qualitätsentwicklungsgesetz, Finanzierung und Fachkräfte im Fokus der Diskussion
In der anschließenden Podiumsdiskussion versicherte Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass bis zum Frühjahr 2017 die Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz durch Bund und Länder gemeinsam erarbeitet werden. Ziel sei es, das Gesetz zu Beginn der neuen Legislaturperiode zu verabschieden: „Der Konsens zum Qualitätsentwicklungsgesetz ist groß – auch über Parteigrenzen hinweg. Das gemeinsame Ziel, gute Qualität zu schaffen, stärken wir bereits jetzt, indem der Bund bei der Finanzierung mehr Verantwortung übernimmt. Ein erster wichtiger Schritt sind die 1,7 Milliarden, die wir für die Jahre 2017 bis 2020 für mehr Plätze und Sprachförderung zusätzlich erhalten werden. Unser weiteres Ziel ist es, für 2018 eine Milliarde zusätzlich anzumelden und in einem Stufenplan die Bundesbeteiligung jährlich um eine Milliarde auf fünf Milliarden anwachsen zu lassen.“ Auch Andreas Hilliger, Abteilungsleiter des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, zeigte sich mit den Ergebnissen des Zwischenberichts sehr zufrieden: „Die Grundlage für den bisher erreichten Stand und den weiteren Prozess ist, dass der Bund anerkannt hat, dass die Länder und Kommunen bereits erhebliche Anstrengungen zur Entwicklung der Qualität der Kindertagesbetreuung unternommen und dass bislang vor allem Länder und Kommunen die Hauptkosten für die Kindertagesbetreuung getragen haben. Weitere wichtige Punkte waren für uns die grundsätzliche Bereitschaft, den Kostenanteil in einem Zusammenhang mit dem Nutzen auf der Ebene des Bundes zu sehen, und die Einigung darauf, dass bei der Verwendung zusätzlicher Bundesmittel alle Länder unterschiedliche Schwerpunkte für die Ausgestaltung des Qualitätsentwicklungsprozesses setzen können.“ Stefan Hahn vom Deutschen Städtetag ergänzte: „Die Übereinstimmung zwischen Ländern und Kommunen ist sehr groß und auch die Abstimmung funktioniert sehr gut. Obwohl die Finanzierung in den Kommunen oftmals nicht ganz einfach ist, zeigen Gespräche mit den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern immer wieder, dass ein Konsens über die Bedeutung des Themas Kindertagesbetreuung besteht.“
Auch Vertreterinnen und Vertreter des Expertendialogs kamen bei der Diskussion zu Wort. Matthias Ritter-Engel von der Arbeiterwohlfahrt bewertete den Zwischenbericht positiv. Vor allem die Diskussion über ein mögliches Qualitätsgesetz sei ein voller Erfolg. Die geplanten Investitionen in die strukturellen Rahmenbedingungen hält Norbert Hocke von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für eine gute Grundlage, um auch die pädagogische Qualität zu verbessern. Eine gute Struktur sei die Voraussetzung, um den Beruf der pädagogischen Fachkräfte attraktiver zu gestalten und das nötige Personal zu finden. Katrin Molkentin von der Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege betonte: „Die Beitragsfreiheit ist für uns ein wichtiges Anliegen. Außerdem braucht es für eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern mehr Fachkräfte. Mit dem Qualitätsentwicklungsgesetz machen Bund und Länder hier einen Schritt in die richtige Richtung.“ Dr. Heike Kahl von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung berichtete: „Bei bundesweit 40 Dialogveranstaltungen und einer Befragung im Rahmen des Programms Qualität vor Ort haben wir die klare Rückmeldung bekommen: Die Arbeit der Fachkräfte wird insbesondere von Eltern und Trägern sehr wertgeschätzt, doch die Qualität in den Einrichtungen muss besser werden. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen ändern, aber gleichzeitig auch fragen, welche Unterstützung die Einrichtungen vor Ort brauchen.“
In der weiteren Diskussion mit dem Publikum wurde auf Unterstützungsbedarfe der Praxis hingewiesen. Insbesondere eine Stärkung der Kita-Leitungen sei nötig, da sie maßgeblich für die Qualität der Betreuung verantwortlich seien. Es sei daher positiv, dass dieses Thema im Zwischenbericht enthalten sei. Die Gestaltung der Elternbeiträge brachten mehrere Wortmeldungen in die Diskussion ein. Um Eltern eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen, müsse sowohl in der Kita als auch in der Kindertagespflege die Finanzierung fairer gestaltet werden. Dringenden Handlungsbedarf sahen viele Teilnehmende bei der Gewinnung neuer Fachkräfte und der Steigerung der Attraktivität der Tätigkeit. Als Lösungsansätze nannten die Teilnehmenden eine bessere Bezahlung, mehr Entwicklungsmöglichkeiten und einfachere Wege zum Quereinstieg.