Beteiligung ist ein Kinderrecht

Mit der Studie „Beteiligung von Kindern im Kita-Alltag“ (BiKA) wurde die Qualität in der Kindertagesbetreuung hinsichtlich der Beteiligung von Kleinkindern untersucht. Die Untersuchung fand von 2018 bis 2020 in 89 Kitas im ganzen Bundesgebiet statt und wurde geleitet durch Prof. Dr. Frauke Hildebrandt (Fachhochschule Potsdam) und Prof. Dr. Catherine Walter-Laager (Universität Graz gemeinsam mit der PädQUIS gGmbH). 

Mit Fokus auf die Jüngsten wurden im Krippenbereich per Video aufgezeichnete Situationen analysiert und die pädagogischen Fachkräfte und Eltern zu ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Einschätzungen befragt. Die aufgezeichneten und näher untersuchten Szenen sind Schlüsselsituationen im Kita-Alltag: Spielsituationen (freies Spiel, das kaum von außen strukturiert ist), dialogische Buchbetrachtungen (eine durch Material vorstrukturierte Situation) und das gemeinsame Essen (ein meist stark strukturierter und ritualisierter Vorgang). 

Wo Beteiligung zu selten stattfindet

Dabei zeigte sich insbesondere, dass gerade beim Essen die Autonomie und die Partizipationsmöglichkeiten der Kinder häufig eingeschränkt sind. Kinder dürfen sich hier leider oft nicht selbst ausprobieren und selbstständig handeln. Zum Beispiel beim Auftun des Essens: Nur in 17 Prozent der Kitas tun dies die Kinder ausschließlich selbst oder füreinander. In weiteren 30 Prozent der Kitas tun sich zumindest einige Kinder selbst oder gegenseitig das Essen auf, während für die anderen Kinder die Fachkraft auftut. Im Rest der Kitas wird das Essen ausschließlich durch die Fachkräfte verteilt. Außerdem essen in fast der Hälfte der Kitas nicht alle Kinder selbstständig, obwohl sie dies eigentlich bereits können. Die Gelegenheiten für kindliche Autonomie werden also häufig nicht wahrgenommen. Dabei bietet das Essen als besonders prägende soziale Situation viele Möglichkeiten, die Kinder zu beteiligen und ihre sozialen, wie auch kognitiven Fähigkeiten zu entwickeln. Oft wird diese Chance aber anderen Interessen untergeordnet – etwa dem ungestörten Ablauf oder der Sauberkeit der Kleidung der Kinder. Die Studie zeigt also: auf dem Weg zu mehr Partizipation und daraus erwachsenden Lernchancen gibt es hier noch einiges zu verbessern. Welche Aspekte gerade beim Essen verbesserungswürdig sind, legt die Studie detailliert dar – etwa, dass das Essen intensiver als kommunikative Situation genutzt werden sollte oder die Erfahrungen der Kinder im Tischgespräch häufiger aufgegriffen werden können.

Partizipation gelingt häufig in weniger strukturierten Situationen

Die Studie zeigt aber auch, dass es bereits anders geht – und zwar in den weniger strukturierten Situationen des Kita-Alltags. Je weniger strukturiert eine Schlüsselsituation ist, desto freier sind die Kinder in ihrer Wahl. Zum Beispiel wo sie sitzen möchten. Während die Kinder nur in 32 Prozent der Kitas entscheiden dürfen, wo sie beim Essen sitzen, können sie es beim Buchanschauen in 66 Prozent der Kitas. Noch freier ist meist das Spielen. In drei Viertel der Kitas entscheiden alle Kinder jederzeit, wo sie spielen. In neun von zehn Kitas können die Kinder außerdem entscheiden, mit welchem anderen Kind oder mit welchen anderen Kindern sie spielen.

Wie können Fachkräfte partizipative Gelegenheiten und eine partizipative Umgebung schaffen?

Der Studie zufolge gelingt dies durch verschiedene Verhaltensweisen. Zum Beispiel indem Fachkräfte signalisieren, dass sie die Identität der Kinder anerkennen, sie also etwa mit dem richtigen Namen ansprechen. Darüber hinaus können Fachkräfte proaktiv Gelegenheiten schaffen, in denen Kinder Selbstwirksamkeit erfahren können. Zum Beispiel indem sie Ideen der Kinder aufgreifen oder nur dann bei etwas unterstützen, wenn Kinder dies einfordern – und nicht etwa schon ungefragt helfend eingreifen. Partizipation in der Kita voranzutreiben kann auch bedeuten, Kinder in Kontakt zu bringen und dabei die Autonomie des jeweils anderen erlebbar zu machen – sie zum Beispiel in Konfliktsituationen angemessen zu begleiten oder den Kindern Perspektivwechsel zu ermöglichen. 

Laut der Studie muss die partizipative Fachkraft-Kind-Interaktion in alltäglichen Situationen noch an vielen Stellen verbessert werden. Dazu gehört, dass die ausreichende Beteiligung der Kinder eine wichtige Rolle in der Team- und Personalentwicklung einnimmt. Partizipation sollte zudem inklusiv gedacht und verstanden werden und auch die Mitbestimmung der Familien sollte verbessert werden. Spielt Beteiligung eine größere Rolle in der Kita, trägt das schließlich entschieden zur pädagogischen Qualität bei.