Praxisgespräch: „Zugewanderte Frauen benötigen Kontakt zu anderen Familien und eine berufliche Perspektive“

Annika Lohmann-Trelle arbeitet als Bildungsreferentin beim Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe - Migrationsarbeit (IFAK e.V.) im Bereich Sprachförderung. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem auf Integrationskursen, Berufssprachkursen und Demokratieförderung. IFAK e.V. ist eine Selbstorganisation von Zuwanderinnen und Zuwanderern sowie Einheimischen auf kommunaler Ebene. Der Verein ist Träger von mehreren Einrichtungen, Projekten und Maßnahmen im Bereich der interkulturellen Erwachsenenbildung, Kinder- und Jugendhilfe, Arbeitsförderung und der Migrations- und Sozialarbeit. Der Verein fördert das interkulturelle Zusammenleben vor Ort und nimmt am Bundesprogramm „Integrationskurs mit Kind: Bausteine für die Zukunft“ teil. Im Gespräch berichtete Annika Lohmann-Trelle von der Umsetzung des Programms in Bochum.

Warum nimmt der Träger am Bundesprogramm teil?

Annika Lohmann-Trelle berichtet, dass es in Bochum an Plätzen in der regulären Kindertagesbetreuung fehle. Häufig haben es Zuwanderinnen und Zuwanderer besonders schwer einen Kita-Platz zu erhalten, weil zum Beispiel Geschwisterkinder von Kindern, die bereits in der Kita sind, vorgezogen werden.

„Zugewanderte Mütter, die zum Teil traumatisierende Kriegserfahrungen gemacht haben, sind dann vom öffentlichen Leben abgeschnitten. Sie verbringen den Großteil ihrer Zeit in den Unterkünften für Geflüchtete oder in ihrer Wohnung. Dort müssen sie die Betreuung der Kinder übernehmen und es fehlt ihnen der Kontakt zu anderen Frauen und eine berufliche Perspektive. Depressionen können die Folge sein. Der Wunsch nach einer Kinderbetreuung wird sehr häufig von den Betroffenen an mich herangetragen. Ohne die Finanzierung durch das Bundesprogramm hätten wir als gemeinnütziger Träger ein solches Angebot nicht realisieren können.“
Annika Lohmann-Trelle, IFAK e. V.

Das Bundesprogramm „Integrationskurs mit Kind“ setzt genau dort an und trifft in Bochum auf positive Resonanz. Fest angestellte, qualifizierte Kinderbeaufsichtigungspersonen werden in Bochum über das Bundesprogramm finanziert (Modell 1). Frau Lohmann-Trelle erzählt, dass es inzwischen sogar eine Warteliste gebe. Das Programm leistet einen wichtigen Beitrag zur Selbstwirksamkeit der zugewanderten Frauen und unterstützt sie bei der Integrationskursteilnahme. Gleichzeitig profitieren die Kinder von der Kinderbeaufsichtigung. Sie lernen die deutsche Sprache, knüpfen erste soziale Kontakte und können erstes Vertrauen aufbauen wodurch ein besserer Übergang in das Regelsystem ermöglicht wird.

Wie wird das Bundesprogramm vor Ort umgesetzt?

Zunächst konnte Annika Lohmann-Trelle mit ihrem Team über eine Kooperation mit dem Gemeindezentrum Arche in Bochum-Linden Räumlichkeiten für die Kinderbeaufsichtigung kostengünstig organisieren. Dort verfügten sie über einen Raum für die Kurse und mehrere Räume für die Kinderbeaufsichtigung. Ein weitläufiges Außengelände gehörte ebenfalls dazu. Der Mietvertrag lief jedoch nun aus, da die Kirche die Räumlichkeiten wieder für eigene Initiativen benötigt. Doch es konnten bereits neue Räume in der Bochumer Innenstadt angemietet werden.

„Die Räumlichkeiten haben wir eingerichtet und Sachspenden von Kindertageseinrichtungen und der Stadtbibliothek Bochum erhalten. Um die Kinder auch auf die Schule oder den Übergang in die reguläre Kindertagesbetreuung vorzubereiten, wird innerhalb des Angebots ein Schwerpunkt auf die Sprachförderung gelegt. Die Kindertagespflegepersonen lesen viel mit den Kindern, weshalb die Buchspenden toll waren!“
Annika Lohmann-Trelle, IFAK e.V.

In der Kinderbeaufsichtigung wird Wert auf einen strukturierten Tagesablauf gelegt. So gibt es Räume mit verschiedenen Schwerpunkten: eine kleine Turnhalle, einen Essensraum und einen Raum zum Ausruhen sowie Bücher, Spielzeuge und Gesellschaftsspiele für verschiedene Altersgruppen. Der Träger stellt monatlich Bastelmaterialien zur Verfügung, damit die Kinder auch ihre motorischen Fähigkeiten kreativ entfalten können. Zudem werden Ausflüge zum nahegelegenen Spielplatz unternommen – die Eltern bleiben aufgrund der räumlichen Nähe trotzdem jederzeit erreichbar. Am Standort führen Verwaltungskräfte die Anwesenheitslisten und kümmern sich um die Vergabe der Plätze zur Kinderbeaufsichtigung.

Welche Kooperationen waren bei der Umsetzung des Programms hilfreich?

Die Umsetzung des Programms erfolgt stets in Kooperation mit dem Jugendamt, das die Räumlichkeiten zuvor geprüft und Tipps gegeben hat. Auch zu den im Umkreis liegenden Kindertageseinrichtungen besteht ein guter Austausch. So konnte es Annika Lohmann-Trelle gelingen, für einige Kinder einen Platz in der regulären Kindertagesbetreuung zu organisieren.

Annika Lohmann-Trelle betont auch die kompetente und umfangreiche Beratung durch die Servicestelle des Bundesprogramms. Diese trug dazu bei, den Austausch mit den Jugendämtern und anderen Trägern zu suchen. Gerade zu Beginn der integrationskursbegleitenden Kinderbeaufsichtigung waren die Unterstützung und der Erfahrungsaustausch für Annika Lohmann-Trelle sehr wichtig.