Was Träger, Leitungen und Fachkräfte für die Arbeitssicherheit in der Kita tun können

Georg Nottelmann leitet das Sachgebiet Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Im Interview spricht er darüber, wie Kitas als sichere Arbeitsorte gestaltet werden.

Herr Nottelmann, was gehört zur Arbeitssicherheit in der Kita?

„Wir betrachten bei der Arbeitssicherheit immer das gesamte Setting: Wenn es den Beschäftigten gut gehen soll, muss es den Kindern gut gehen und andersherum. Bei den Beschäftigten stehen vor allem gute und gesunde Arbeitsbedingungen im Vordergrund. Bei den Kindern geht es uns unter anderem um die Vermeidung von Unfallgefahren durch technische Maßnahmen. Ein wichtiger Baustein für uns ist auch die Förderung zum Beispiel von Bewegungskompetenzen. In einem aktuellen Forschungsprojekt von Prof. Dr. Susanne Viernickel haben wir z.B. ein Beobachtungsinstrument für Fachkräfte entwickeln lassen, um das Wohlbefinden und psychische Belastungen bei den Kindern systematisch zu erfassen und frühzeitig gegensteuern zu können.“

Worauf ist mit Blick auf die Fach- und Zusatzkräfte besonders zu achten?

„Die Arbeitsfähigkeit von Fachkräften hängt stark von den strukturellen Rahmenbedingungen ab. Das wissen wir zum Beispiel aus der immer noch aktuellen STEGE-Studie. Je wichtiger das Thema vom Träger und in der Einrichtung angesehen wird, desto besser geht es den Beschäftigten. Besondere Beanspruchungen resultieren häufig z.B. aus einer mangelnden finanziellen und räumlichen Ausstattung, aus schlechten ergonomischen Arbeitsbedingungen, chronischem Zeitdruck, steigenden Arbeitsanforderungen, Belastung durch Lärm, geringer Bezahlung, geringen Aufstiegsmöglichkeiten, geringer gesellschaftlicher Reputation und körperlich anstrengender Arbeit.“

Wer ist für die Arbeitssicherheit in der Kita verantwortlich?

„Verantwortlich ist ganz klar der Arbeitgebende: also der Träger. Die Kita-Leitung ist nicht Arbeitgebende, sondern Führungskraft. Die Aufgabenteilung zwischen Träger und Leitung ist aber in der Praxis leider häufig nicht klar geregelt.

Wichtig ist außerdem eine gute Sicherheitsorganisation, die den Träger bei einer systematischen Herangehensweise an das Thema unterstützt. Jede Einrichtung braucht eine sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärztinnen und -ärzte beraten und können auch bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützen. Idealerweise wird die Gefährdungsbeurteilung mit Unterstützung der Kita-Leitung durchgeführt, denn diese kennt die Arbeitsabläufe im Alltag bestens.“

Was passiert bei einer Gefährdungsbeurteilung?

„Die Gefährdungsbeurteilung ist der Dreh- und Angelpunkt für die Arbeitssicherheit, auch in der Kita. Sie ist von Arbeitgebenden für alle Beschäftigten verpflichtend durchzuführen. Die Gefährdungsbeurteilung beschreibt einen systematischen Prozess zur Ermittlung und Bewertung aller relevanten Gefährdungen, denen die Beschäftigten bei ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind. Darauf aufbauend sind alle zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit erforderlichen Maßnahmen abzuleiten, umzusetzen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Ziel ist, Gefährdungen bei der Arbeit frühzeitig zu erkennen und diesen präventiv entgegenzuwirken – das heißt noch bevor gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Unfälle auftreten.“

Was sind konkrete Ansatzpunkte, um die Arbeitssicherheit und Gesundheit zu verbessern?

„Die Ansatzpunkte können sich natürlich in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung von Einrichtung zu Einrichtung unterscheiden. Sehr häufig können aber Verbesserungen in folgenden Bereichen erzielt werden:

  • Ergonomie: Auf den Knien herumrutschen, auf zu kleinen Stühlen sitzen, Kinder auf den Wickeltisch heben – all das trägt nicht zur Gesundheit der Fachkräfte bei. Daher sollte auf eine ergonomische Ausstattung in der Einrichtung geachtet werden. Dazu gehören zum Beispiel rücken- und kniegerechte Sitzmöbel, rollbare Möbelstücke oder Aufstiegshilfen für Kinder.
  • Raumakustik: Man kann nicht vermeiden, dass Kinder laut sind. Aber eine gute Raumakustik vermeidet, dass sich der Lärmpegel hochschaukelt. Sie ist daher essenziell.
  • Infektionsschutz: Dieses Thema ist nicht erst seit Corona wichtig, sondern auch angesichts der vielen Kinderkrankheiten. In Abhängigkeit von der Gefährdungsbeurteilung muss der Impfstatus der Beschäftigten ermittelt und es müssen Impfangebote unterbreitet werden.
  • Psychische Belastungen: Diese hängen oft mit den Rahmenbedingungen zusammen. Lärm oder Rückenprobleme können zum Beispiel das Stresserleben steigern oder wiederum durch Stress verstärkt werden. Psychische Belastungen können aber auch als Folge von chronischer Unterbesetzung und Überforderung oder als Folge belastender sozialer Beziehungen auftreten. Dann kommt es darauf an, dass der Träger und die Kita-Leitung die Arbeitssituation wahrnehmen und die Beschäftigten unterstützen. Belastend sind nicht selten auch Erwartungen, die von außen an die Einrichtung bzw. an die Fachkräfte gestellt werden. Auch das tollste Angebot kann bei Personalengpässen unter Umständen nicht aufrechterhalten werden. Da muss der Träger den Beschäftigten den Rücken stärken. Der Umgang mit herausfordernden Eltern oder Kindern kann ebenfalls belasten. Da muss sich der Träger fragen: Wie kann ich die Resilienz der Fachkräfte stärken?

Auch aus einer Befragung, z.B. im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements, können wertvolle Anregungen für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung identifiziert werden. Die betriebliche Gesundheitsförderung zielt darauf ab, mit freiwilligen Maßnahmen Gesundheitspotentiale zu stärken, Erkrankungen vorzubeugen und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern.“

Was kann jede einzelne Fachkraft für die eigene Arbeitssicherheit tun?

„Jede Fachkraft kann für sich selbst das eigene Verhalten reflektieren. Zum Beispiel: Muss ich die Kinder immer hochheben oder kann ich mich auch mit dem Kind irgendwo hinsetzen? Es gibt häufig Möglichkeiten, den Kita-Alltag selbst weniger belastend zu gestalten. Wenn man das eigene Verhalten hinterfragt, werden auch Unterstützungsbedarfe deutlich, die man wiederum an den Träger oder die Kita-Leitung herantragen kann.“

Wo erhalten Fachkräfte Unterstützung und weitere Informationen?

„Bei der vielfältigen Trägerlandschaft in Deutschland sind die Einrichtungen sehr unterschiedlich aufgestellt. Bei größeren Trägern werden teilweise explizit Verantwortliche für den Arbeitsschutz benannt. Ansonsten ist die erste Ansprechperson für Fachkräfte die Kita-Leitung. Zu gesundheitlichen Fragen im Kontext zum Arbeitslatz berät die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt.

Darüber hinaus hat jede Einrichtung eine Ansprechperson beim zuständigen Unfallversicherungsträger. Diese beantworten Fragen, beraten und geben Tipps. Die Kinder sind in den meisten Fällen bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand, also in den auf Länderebene agierenden Unfallkassen, versichert. Dies gilt auch für die Beschäftigten bei öffentlichen Trägern. Beschäftigte bei freien Trägern sind überwiegend bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) versichert.

Die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften sowie deren Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), stellen zudem vielfältige Materialien und Informationen zur Verfügung.“

Wir danken Ihnen für das Gespräch!