Zusammenarbeit im Kita-Team: Gemeinsam gegen Unsicherheiten

Viele hatten schon vor der Pandemie eine funktionierende Feedback- und Konfliktkultur etabliert. Für Kita-Teams, in denen es noch keine entsprechenden Kommunikationsstrukturen gibt, ist die Corona-Zeit hingegen besonders herausfordernd.

Interview mit Bildungsreferentin Susanne Kühn über Zusammenarbeit im Kita-Team

Bildungsreferentin Susanne Kühn arbeitet seit 2005 als selbstständige Fortbildnerin, seit 2010 auch als Coach. Sie bietet unter anderem fachliche Begleitung von Projekten zur Sprachbildung in Kitas und zur Sprachförderung in Eltern-Kind-Gruppen an. Im Interview erläutert sie, wie mit Ängsten im Kita-Team umgegangen werden kann und warum es gerade ganz besonders wichtig ist, dass Fachkräfte in guten Gesprächen miteinander bleiben.

Weshalb ist die Kommunikation im Kita-Team während Corona besonders wichtig?

Erzieherinnen und Erzieher stecken ihre Energie in erster Linie in die Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder. Viele Kinder benötigen derzeit besonders viel Aufmerksamkeit. Dennoch ist es gerade jetzt wichtiger denn je, gute Kommunikationsstrukturen im Team zu schaffen. Denn insbesondere seit der Wiedereröffnung der Kitas ändert sich der Kita-Alltag fast täglich: Die systemrelevanten Berufe und damit die Anzahl der Kinder sowie Hygieneregeln und -konzepte wurden fortlaufend angepasst. Dadurch wächst die Verunsicherung bei den Fachkräften. Jede Fachkraft entwickelt zunächst eine eigene Strategie, um mit der neuen Situation umzugehen. In den einzelnen Kita-Teams bestehen jedoch häufig unterschiedliche Umgangsformen mit bestehenden Ängsten und Unsicherheiten. Fachkräfte sollten deshalb einander wertschätzend gegenübertreten und bestehende Diskrepanzen über Gespräche auflösen.  

Eine sehr wichtige Bewältigungsstrategie im Umgang mit Ängsten kann die Suche nach Verbündeten sein. Das bedeutet, dass Fachkräfte danach schauen, wer dasselbe oder ein ähnliches Problem hat. Mit diesen Personen sprechen sie über ihre Sorgen und überlegen gemeinsam, wie sie einen guten Umgang mit der Situation finden können. Dieser Austausch kann jedoch nur stattfinden, wenn entsprechende Kommunikationskanäle bestehen. Die Kita-Leitung nimmt dabei eine sehr wichtige Rolle ein, indem sie im Alltag Freiräume für Gespräche im Team schafft. Kita-Teams haben dafür unterschiedliche Ausgangsbedingungen: Viele hatten schon vor der Pandemie eine funktionierende Feedback- und Konfliktkultur etabliert. Für Kita-Teams, in denen es noch keine entsprechenden Kommunikationsstrukturen gibt, ist die Corona-Zeit hingegen besonders herausfordernd.

Wo liegen die Herausforderungen einer guten Kommunikation in Kita-Teams?

Die Kita-Teams sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Einige Kitas können aufgrund ihrer Personalgegebenheiten sowie internen Strukturen relativ einfach ein Zeitfenster für den Team-Austausch einrichten. Mir ist beispielsweise eine Kita bekannt, die in der Gruppenstruktur arbeitet. In dieser ist es möglich, dass Fachkräfte sich jeden Morgen im Format eines Blitzlichtes mit der Kita-Leitung über aktuelle Sorgen, Ängste oder andere Anliegen austauschen. Während der Corona-Zeit nutzten Fachkräfte die Blitzlichter stärker als zuvor. Anderen Kitas fällt dieser Schritt schwerer. In der offenen Kita-Arbeit ist der Dienstbeginn der einzelnen Fachkräfte fließend, so haben die Fachkräfte häufig keinen gemeinsamen Start in den Morgen. Hier ist es deutlich schwieriger, Zeitpunkte zu finden, zu denen ein Austausch stattfinden kann.

Außerdem wurden während der Corona-Zeit in vielen Kitas feste Gruppenstrukturen bzw. Kohorten-Regelungen eingerichtet. Dies hat zur Folge, dass sich der teamübergreifende Austausch schwieriger gestaltet. Die Kita-Leitung hat die Aufgabe, das Team dennoch zusammen und die verschiedenen Ansichten transparent zu halten sowie zusammen zu bringen – damit sich keine Fachkraft ausgeschlossen fühlt! Zur Risikogruppe gehörende Kolleginnen und Kollegen sollten ebenfalls weiterhin die Möglichkeit erhalten, sich an Teamfragen zu beteiligen. Wichtig ist, dass jede Kita dranbleibt und sich nicht entmutigen lässt, auch wenn einiges nicht von Beginn funktioniert. Mein Tipp ist, den Fokus auch auf Dinge zu richten, die gut laufen. Der Blick auf das Positive fehlt in solch herausfordernden Zeit häufig - dabei haben viele Kitas super Lösungen gefunden! Ich leite eine Online-Veranstaltung zum Thema „Corona-Schätze bergen“, denn all die guten Praxisbeispiele sollten uns auch nach Corona unbedingt erhalten bleiben.

Welche Methoden unterstützen eine gute Kommunikationskultur?

Neben den Zeitfenstern für den Austausch braucht es gute Gesprächsstrukturen. Sie sollten ermöglichen, dass jede Fachkraft ihre Ängste und Sorgen mit allen anderen teilen kann. Dafür gibt es unterschiedliche Methoden, beispielsweise die „Methode der kollegialen Beratung“. In vielen Kitas wurde eine „blackbox“ oder ein „Kummerkasten“ eingerichtet, so dass die Fachkräfte die Möglichkeit haben, Themen einzureichen, die bei der nächsten Teamsitzung besprochen werden. Zusätzlich habe ich mitbekommen, dass einige Kitas im Rahmen des „Kummerkastens“ ein Ampelsystem etabliert haben: Themen, die den Fachkräften ganz besonders wichtig sind, werden auf rote Zettel geschrieben. Themen, die aus Sicht der Fachkräfte weniger dringend sind, werden auf grünen Zettel festgehalten. Die Kita-Leitung kann jederzeit in den Kasten hineingucken und bei dringendem Abstimmungsbedarf beispielweise mit der Einberufung einer außerordentlichen Teamsitzung reagieren. Aus meiner Sicht ist derzeit „Fehlerfreundlichkeit“ sehr wichtig, denn wir alle neigen dazu, eigene und andere Fehler größer zu machen, als sie sind. Fehler sind wichtig, um aus ihnen zu lernen. Wir alle müssen uns an diese neue Situation erst noch gewöhnen. Damit wir handlungsfähig bleiben, sind Fehler quasi unumgänglich.

Welche Unterstützung benötigt die Kita-Leitung?

Die Leitung nimmt für eine gute Kommunikationskultur in der Kita die zentrale Rolle ein. Deshalb ist es wichtig, sie durch Fortbildungen individuell zu stärken. Jede Kita-Leitung hat ja viele eigene Stärken und Kompetenzen. Ich sehe die Fachberatungen der Träger in der Verantwortung genau hinzuschauen, was ihre Kita-Leitungen an Unterstützung benötigen und ihnen gezielt Material-Tipps zu geben, wie zum Beispiel die Methodensammlung aus dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas“. Kita-Leitungen sollten von den Trägern motiviert werden, auch an sich zu denken. Das Thema „Selbstfürsorge“ ist mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Aus meiner Sicht ist der Austausch unter den Kita-Leitungen auch sehr gewinnbringend. Dafür gibt es ebenfalls unterschiedliche Formate. Ich weiß, dass einige Träger den Austausch aller Kita-Leitungen beispielsweise per Videokonferenz, vereinzelt auch mit Moderation, angeboten haben. In großer Runde reflektierten sie, was gut und weniger gut gelaufen ist, teilten Praxisbeispiele mit der Runde und konnten auf diese Weise viel voneinander lernen.