Interview mit Dominique Granoux des Deutsch-Französischen Jugendwerks und zwei Teilnehmerinnen des Élysée-Prim-Programms für Erzieher:innen
„Die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen System kristallisieren sich in der vorschulischen Bildung“
Dominique Granoux ist Mitarbeiterin im Referat für Interkulturelle Aus- und Fortbildung im Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW). Sie koordiniert das Élysée-Prim-Austauschprogramm für Erzieherinnen und Erzieher. Im Interview erzählt sie, wieso Sprache in der Kita bereichernd ist und was die Erzieherinnen und Erzieher im Austauschprogramm erwartet. Außerdem geben zwei ehemalige Teilnehmerinnen Einblicke in ihre Erfahrungen im Austauschprogramm.
Was ist das Élysée-Prim-Programm des DFJW und an wen richtet es sich?
Das Programm ‚Grundschullehrer- und Erzieheraustausch‘ gibt es schon seit 1968 und hat mit einer Initiative von Lehrkräften der École Maternelle aus Bordeaux sowie Erzieherinnen und Erziehern aus München begonnen. Die École Maternelle in Frankreich umfasst die vorschulische Bildung, die gleichzeitig an die Grundschule angeschlossen ist. Deshalb sind Lehrkräfte in Frankreich sowohl in der École Maternelle als auch in der Grundschule tätig. Außerdem absolvieren sie in Frankreich ein mehrjähriges Studium.
In der Vergangenheit gab es teilweise Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Qualifikationen und die Erzieherinnen und Erzieher sind irgendwann ganz aus dem Programm verschwunden. Wegen sinkender Teilnehmerzahlen haben wir dann die großen Städtepartnerschaften genutzt, um zur Programm-Teilnahme zu motivieren.
Seit 2012 entsendet Dresden regelmäßig Erzieherinnen und Erzieher nach Straßburg. Das passt auch sehr gut, weil es dort einen hohen Bedarf an bilingualen vorschulischen Klassen gibt.
Ich wollte gerne mal hinter die Kulissen schauen. Nicht nur wie im Urlaub, wo man nur so eine kurze Sequenz hat, sondern wirklich mal in ein anderes Land eintauchen und diese ganz andere Pädagogik kennenlernen.
Heike Sperling, Erzieherin aus Dresden
Vor drei Jahren haben wir uns dann entschieden die Stadt München anzusprechen, weil es dort bereits die Initiative der Élysée-Kindergärten gibt, bei denen es um die Förderung deutsch-französischer Kindergärten und Écoles Maternelles geht.
Inzwischen haben wir auch eine französische Lehrerin, die in Bremen im Kindergarten arbeitet, obwohl Bremen bisher keine Erzieherinnen oder Erzieher entsendet.
Das zeigt auch wie komplex das ganze Unterfangen ist: Auf deutscher Seite haben wir das Programm auch für Sekundarstufenlehrkräfte der Klassen 5 und 6 geöffnet. Das hat sich als gute Maßnahme erwiesen, da wir von deutscher Seite eine große Palette an Bewerberinnen und Bewerbern nach Frankreich entsenden können.
Welche Erwartungen sind mit der Ausweitung bzw. Revitalisierung des Programms auf pädagogische Fachkräfte verbunden?
Das DFJW richtet sich zwar in erster Linie an Jugendliche, doch wir haben festgestellt, dass man zunächst bei Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern das Interesse am Ausland wecken muss. Deshalb möchten wir Anreize und Begegnungen mit anderen Sprachen und Kulturen in die Grundschulen, aber auch in die Kitas bringen. Es geht nicht unbedingt darum eine Sprache zu erlernen, sondern um die Sensibilisierung für Sprache. Außerdem sollen Kinder erfahren, dass sie jemandem helfen können, der nicht so gut Deutsch spricht, dass sie Fehler korrigieren oder überlegen müssen, wie sie sich ausdrücken können, damit sie verstanden werden.
Für uns ist es wichtig, dass Kinder mit anderen Sprachen in Berührung kommen. Dabei geht es nicht um die französische Sprache allein, sondern darum, einen Anlass zu haben, eine fremde Sprache einzubringen. Das kann die Familiensprache sein, das kann aber auch eine Sprache sein, die man im Urlaub erlebt hat oder im Fernsehen.
Patricia und ich habe mit den Kindern jeweils sechs Kalenderblätter gestaltet. Wir haben dann gemeinsam einen wunderschönen deutsch-französischen Kalender erstellt und der wurde sogar von dem Bürgermeister in Dresden als Geschenk nach Straßburg mitgenommen. Das war für uns als Gruppe eine wunderschöne Arbeit, die nicht nur die deutsch-französische Freundschaft gestärkt hat, sondern auch die Kinder mit der Sprache.
Heike Sperling, Erzieherin aus Dresden
Außerdem ist es so, dass es für Erzieherinnen und Erzieher kaum die Möglichkeit gibt, ein Jahr ins Ausland zu gehen. Das Élysée-Prim-Programm bietet eine Chance.
Der Austausch bewirkt auch eine große Sensibilisierung. Die Erzieherinnen und Erzieher machen selbst die Erfahrung in einem Land zu leben, in dem sie die Sprache nicht sprechen. Darüber hinaus ist die École Maternelle in Frankreich eine schulische Einrichtung. Das heißt, alle Angebote werden formal für eine Gruppe gemacht und das widerspricht den erzieherischen Grundprinzipien der Kita in Deutschland. Diese Erfahrung zu machen ist sehr verwirrend, sowohl für die Erzieherinnen und Erzieher als auch für die Lehrkräfte.
Es gab vom Élysée-Prim-Programm einen kleinen Leitfaden als Unterstützung, da konnte ich immer nachschauen. Wir hatten auch einen Pool aus deutschen Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern in Frankreich, mit denen ich mich austauschen konnte. Wir konnten untereinander Ideen austauschen und Materialien schicken. Das war für mich eine ganz große Bereicherung.
Heike Sperling, Erzieherin aus Dresden
Welche Kenntnisse und Qualifizierung erwerben pädagogische Fachkräfte durch das Élysée-Prim-Programm?
Es ist auf jeden Fall der Umgang mit der Diversität und Deutsch als Fremdsprache oder als zweite Sprache. Außerdem gewinnt man interkulturelle Kenntnisse. Natürlich ist auch eine wichtige Erfahrung, in ein anderes Bildungssystem einzutauchen und das pädagogische Repertoire zu erweitern.
Ich habe damals bereits 17 Jahre in Straßburg in einer Brennpunktschule gearbeitet und ich wollte etwas ändern. Die Idee nach Deutschland zu gehen war auch ein berufliches Projekt für mich. Ich wollte ein Jahr in Deutschland arbeiten und nach meiner Rückkehr in einer anderen Schule arbeiten. Jetzt arbeite ich an einer bilingualen Schule und unterrichte nur noch Deutsch.
Patricia, Lehrerin aus Frankreich
Ich bin von der Ausbildung Erzieherin und seit März dieses Jahres darf ich als Sprach-Fachkraft arbeiten. Da bin ich natürlich sehr stolz drauf, weil da meine Erfahrungen aus Frankreich mit einfließen.
Heike Sperling, Erzieherin aus Dresden
Was bringt das Programm den teilnehmenden Kitas?
Insgesamt bedeutet das Programm eine internationale Öffnung. Damit muss sich das gesamte Team auseinandersetzen. Bei den teilnehmenden Kitas in Bremen und in Dresden ist es so, dass sie kein großes bilinguales Konzept haben. Beide Kitas führen jedoch auf Grundschulen hin, die Französisch anbieten. Es hat sich als sehr positiv herausgestellt, dass die Kinder bereits in der Kita mit Französisch in Kontakt gekommen sind.
Die französischen Lehrkräfte werden sowohl in der Kita und als auch der Grundschule eingesetzt. Da gibt es eine enge Zusammenarbeit und das macht natürlich viel Sinn.
Ich habe den Lehrerinnen und Lehrern gesagt, dass wir den Unterricht auch mal nach draußen verlegen können und das hat wunderbar funktioniert. Die Kinder waren so motiviert. Ich habe ihnen gezeigt, dass man viel Bewegung mit reinbringen kann, gerade wenn die Konzentration nachlässt.
Heike Sperling, Erzieherin aus Dresden
Ich bin jetzt viel cooler mit den Kindern, weil ich in Deutschland gelernt habe, dass Spielen auch wichtig ist und die Kinder viel freier und glücklicher sind, wenn man sie mitentscheiden lässt.
Patricia, Lehrerin aus Frankreich