Unterstützung bei der Betreuungsplatzsuche sowie auf dem Weg zur frühpädagogischen Fachkraft
Am Standort Gießen wird das Bundesprogramm „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ vom Büro für Integration der Stadt Gießen und dem Kinderschutzbund Orts- und Kreisverband Gießen e.V. umgesetzt. Das Kita-Einstieg-Team in Gießen besteht aus Ekatherina Doulia als Koordinierungs- und Netzwerkfachkraft, Mareike Gerhardt als Fachkraft für Qualifizierung und pädagogische Angebote sowie Mark-Philipp Domagala, pädagogische Fachkraft. In den letzten Jahren widmete sich das Kita-Einstieg-Team in Gießen insbesondere den Fragen, wie es noch nicht im Betreuungssystem angekommene Kinder auf dem Weg in die Kita unterstützen kann und wie neu zugewanderte Menschen ihren Weg in das Berufsfeld frühpädagogischer Arbeit finden können.
Hürden bei der Betreuungsplatzsuche abbauen: die „Little-Bird-Beratung“
Die „Little-Bird-Beratung“ war eines der ersten Angebote, das im Bundesprogramm „Kita-Einstieg“ in Gießen umgesetzt wurde. Little-Bird ist ein System zur Anmeldung, Vergabe und Verwaltung von Kinderbetreuungsplätzen, welches die Kommunikation und Vermittlung zwischen Jugendämtern, Kita-Trägern, Einrichtungen und Eltern erleichtert. Programme dieser Art werden bereits in vielen Bundesländern genutzt. Wichtig ist, dass Eltern zunächst den Zweck des Systems verstehen und anschließend lernen es anzuwenden. Dabei haben sich zwei Herausforderungen gezeigt: Zum einen lässt sich das Programm schwer über das Smartphone bedienen, wodurch ein anderer Internetzugang notwendig wird. Zum anderen ist das System, insbesondere für neu zugewanderte Familien mit Sprachbarrieren, schwer zu verstehen. Deshalb bietet das Kita-Einstieg-Team seit eine offene Sprechstunde zur „Little-Bird-Beratung“ an. Aufgrund der Corona-Pandemie und entsprechender Infektionsschutzmaßnahmen findet das Angebot nur noch mit Terminabsprache statt. Die Nachfrage nach dem Angebot war so hoch, dass nun eine ergänzende Honorarkraft das Kita-Einstieg-Team unterstützt. Über 250 Familien mit 420 Kindern haben das Angebot bereits in Anspruch genommen. Das Angebot richtet sich nicht nur an Familien mit Migrationserfahrung, sondern an alle Familien in Gießen, die Unterstützung benötigen.
„Die Familien brauchen Hilfe beim Anmelden auf dem Online-Portal, bei dem Stellen von Platzanfragen und bei der Kontaktaufnahme mit Einrichtungen. Wir unterstützen sie aber auch beim Ausfüllen von Vertragsunterlagen, sobald die Familie einen Betreuungsplatz bekommen hat. Außerdem versorgen wir die Eltern mit grundlegenden Informationen wie beispielsweise dem Unterschied zwischen einer Elterninitiative, der Kindertagespflege und einer Kita. Dabei stehen wir in engem Kontakt zur Jugendhilfeplanung des Jugendamtes in Gießen, um die Eltern bestmöglich begleiten zu können.“
Mark-Philipp Domagala, Kita-Einstieg-Fachkraft
Die Mini-Kita gestaltet den Übergang in die Schule
Ein Kita-Besuch kann Kindern den Schuleintritt erleichtern. Dies kann daran liegen, dass sie die Abläufe und Strukturen im Kita-Alltag kennengelernt haben und sie ihre Sprachkompetenzen entwickelt haben. Für die Kinder im Vorschulalter in Gießen, die bisher noch keine Kita besucht haben, hat das Kita-Einstieg-Team die Mini-Kita entwickelt – ein alternatives Angebot für Familien ohne Betreuungsplatz. Hier sollen Kinder erste Erfahrungen in pädagogischen Einrichtungen sammeln. Die Mini-Kita fand bereits jeweils einmal im Frühjahr 2020 und 2021 statt, aufgrund der Corona-Pandemie beide im digitalen Format. Dabei bekamen 15 Familien jede Woche ein Themenpaket mit Materialen zum Spielen, Basteln und Malen. Einmal pro Woche fand eine Videokonferenz statt, in der die Familien gemeinsam sangen, lasen, bastelten und sich untereinander sowie die pädagogischen Strukturen kennenlernten. Im Sommer 2020 veranstaltete „Kita-Einstieg“ in Gießen ein Sommerfest. Viele der Kinder kannten sich bisher nur aus den Videokonferenzen und konnten sich nun gegenseitig zum ersten Mal live erleben.
Im Herbst 2021 startete die erste Mini-Kita vor Ort mit fünf Kindern zwischen fünf und sechs Jahren. Die Kinder können an drei Tagen die Woche für drei Stunden mit Honorarkräften aus der Qualifizierungsinitiative ein bisschen Kita-Luft schnuppern: im Morgenkreis singen, Geburtstage feiern, gemeinsam auf den Spielplatz gehen und die anderen Kinder kennenlernen.
„Auch wenn die Kinder in der Mini-Kita sind, versuchen wir weiterhin, noch einen richtigen Betreuungsplatz in der Kita zu bekommen. Viele der Kinder sprechen kein bis wenig Deutsch, gerade für sie ist es wichtig, schon erste Erfahrungen zu sammeln und Berührungsängste abzubauen.“
Mark-Philipp Domagala, Kita-Einstieg-Fachkraft
„Brücken in die frühpädagogische Arbeit“ – die Qualifizierungsinitiative
Um dem Mangel an pädagogischen Fachkräften entgegenzuwirken, hat das Kita-Einstiegs-Team in Gießen ein Qualifizierungsangebot entwickelt. Mareike Gerhardt ist Fachkraft im „Kita-Einstieg“. Sie und ihr Team stellten fest, dass sich viele Personen für die Arbeit mit Kindern und Familien interessieren. Außerdem sind pädagogische Fachkräfte mit Migrationserfahrungen in den Einrichtungen stark unterrepräsentiert. Das Team ging den Gründen dafür nach: „Vielen interessierten Menschen fehlen die Informationen über Qualifizierungswege, wie zum Beispiel die Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft. Sie kennen die notwendigen Voraussetzungen für die Ausbildung und Arbeitsbereiche im pädagogischen Berufsfeld nicht. Dieses fehlende Wissen hindert Menschen daran, im frühkindlichen Bereich Fuß zu fassen.“ (Mareike Gerhardt, Fachkraft Kita-Einstieg-Team)
Weitere Hürden sind sprachliche Barrieren oder der Umstand, dass nicht alle im Ausland erworbenen Qualifikationen in Deutschland anerkannt werden, weil sich beispielsweise das institutionelle System frühkindlicher Bildung stark unterscheidet. Das Kita-Einstieg-Team in Gießen hat eine Bedarfsanalyse durchgeführt und erkannt, dass es bisher nur sehr wenige Unterstützungsangebote gibt. Sie starteten 2019 das Pilotprojekt „Brücken in die frühpädagogische Arbeit“, um eine Brücke zwischen den Biografien und Erfahrungen zugewanderter Menschen und der Qualifizierung im Bereich frühkindlicher Bildung zu schlagen.
Das Angebot besteht aus vier Komponenten:
- In Kooperation mit der Volkshochschule in Gießen wird ein Sprachkurs angeboten.
- Der Sprachkurs wird mit einem Praktikum in einer Kita verknüpft, denn Sprache lernt sich am besten in der Praxis. Dabei werden Praxiserfahrungen in der Gruppe reflektiert und pädagogische Themen anhand alltagspraktischer Beispiele vertieft und erläutert.
- Alle Teilnehmenden sollen Gelegenheit haben, die Pädagogik, den Unterricht und das Berufsfeld zu entdecken: Es finden Vorträge zu verschiedenen Themen statt, wie beispielsweise dem Bildungsplan. Bei einem Besuch der Berufsschule in Gießen können die Teilnehmenden in den Unterricht reinschnuppern und das vielfältige Tätigkeitsfeld einer pädagogischen Fachkraft kennenlernen.
- Es finden kontinuierliche Gespräche und eine individuelle Beratung und Begleitung statt. Gemeinsam überlegen die Kita-Einstieg-Fachkräfte mit den Teilnehmenden, in welches Feld sie am besten reinpassen, welche persönliche Hürden es gibt und auf welche Unterstützungsmöglichkeiten und Ressourcen sie zurückgreifen können. Dabei werden auch bereits erworbene Qualifikationen geprüft und gegebenenfalls auch Verfahren zu ihrer Anerkennung in Deutschland gestartet.
„Obwohl die Anforderungen hoch sind und der Weg schwer ist, sind alle Teilnehmenden ihren Weg gegangen und die meisten im pädagogischen Bereich angekommen. Unsere Erfahrung ist, dass es viel Zeit und individuelle Begleitung benötigt - auch noch nach dem Kurs. Wir wünschen uns, dass wir das Qualifizierungsangebot in Gießen weiter durchführen können, denn es füllt eine große Bedarfslücke. Es braucht Ermutigung und sprachliche Unterstützung, damit diese motivierten Menschen nicht auf der Strecke bleiben.“
Mareike Gerhardt, Fachkraft Kita-Einstieg-Team
Der arabischsprachige Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“
Das Team von „Kita-Einstieg“ in Gießen hat noch ein weiteres Qualifizierungsangebot auf den Weg gebracht: Den arabischsprachigen Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“ in Trägerschaft des Deutsches Kinderschutzbundes. Da Sprachbarrieren den Austausch über pädagogische Themen erschweren und damit insbesondere für neu Zugewanderte eine Hürde darstellen, organisierte das Kita-Einstieg-Team die Übersetzung des Elternkurses auf Arabisch. Damit können mehr Eltern von den Angeboten, Ratschlägen und Tipps der pädagogischen Fachkräfte profitieren. Im Elternbildungskurs geht es darum, den Familienalltag zu entlasten, Wege aufzuzeigen, um Konflikte zu bewältigen und zu lösen sowie Raum zum Nachdenken und zum Austausch mit anderen Müttern und Vätern zu bieten.
„Die Eltern empfanden es als wohltuend, über so wichtige Themen in ihrer Muttersprache sprechen zu können. Sie nahmen den Austausch als Schutzraum wahr und haben sich sehr über das Angebot gefreut“.
Mareike Gerhardt, Fachkraft Kita-Einstieg-Team
Im September und November 2021 fand der Elternkurs an acht Nachmittagen für jeweils zwei Stunden statt. Während des Kurses sind die Kinder der Teilnehmenden in der Kinderbetreuung. Die Teilnahme des Kurses ist kostenlos. Perspektivisch soll es eine Informations- und Anlaufstelle für Menschen geben, die an einer Ausbildung im pädagogischen Bereich interessiert sind. Ergänzend sollen hier für Kinder, die noch keinen Betreuungsplatz haben, Kultur-, Bewegungs- und Bildungsangebote stattfinden.
Die Erfolge verstärken den gemeinsamen Wunsch nach Verstetigung
Das Kita-Einstieg-Team in Gießen hat in den letzten Jahren einiges auf die Beine gestellt und dafür viel positives Feedback geerntet. Gerade durch die Unterstützung bei der „Little-Bird-Beratung“ konnten sie eine gute Beziehung zu den Eltern aufbauen und auch gemeinsam Erfolge feiern. Auf dem Weg dahin ermutigen Ekatherina Doulia, Mareike Gerhardt und Mark-Philipp Domagala die Eltern immer wieder und vermitteln sie auch in andere Angebote. Die gute Kooperation zwischen der Stadt und dem Kinderschutzbund ermöglicht dem Team dabei eine gute Infrastruktur und verstärkt den gemeinsamen Wunsch nach einer Verstetigung der Angebote.
(Dezember 2021)